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Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Titel: Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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waren hart und ohne Lehne und luden kaum zum Herumlungern ein, doch Qwilleran setzte sich und sah die Zeitungen durch, die er mitgebracht hatte, bis er – aus den Augenwinkeln – etwas Rotes aufblitzen sah. Rupert war in den Raum geschlendert und kontrollierte, ob jemand gegen die Vorschriften verstieß.
    Qwilleran winkte ihn zu sich und sagte: »Darf ich Sie etwas fragen, Rupert? Warum gibt es keine Tauben auf der Terrasse? Meine Katzen beobachten gerne Tauben.«
    »Diese dreckigen Vögel!« sagte der Hauswart angewidert. »Die Dame, die vorher dort gewohnt hat, die hat sie immer gefüttert, und die Leute, die ihre Autos auf dem Parkplatz darunter abgestellt hatten, haben sich fürchterlich aufgeregt. Daß Sie Mrs. Tuttle ja nicht dabei erwischt, wie Sie die Viecher füttern, denn dann setzt es was!«
    Qwilleran wandte sich wieder Sasha Crispen-Schmitts Kolumne im Morning Rampage zu, einer seichten Wiedergabe von Klatsch und Gerüchten. Als eine weitere Hausbewohnerin mit einem Wäschekorb in die Waschküche kam, machte er den Fehler, aufzublicken. Es war Isabelle Wilburton, die einen schmutzigen Morgenmantel trug.
    Sie ging schnurstracks zu ihm hin. »Es tut mir leid, wenn ich Sie gestern abend beleidigt habe.«
    »Schon in Ordnung«, sagte er und wandte sich wieder seiner Zeitung zu.
    Sie steckte ihre Wäsche in eine der Maschinen, und er überlegte, ob sie wohl ihren Morgenmantel ausziehen und auch hineingeben würde, doch sie war noch immer anständig bekleidet, als sie sich neben ihn auf die unbequeme Bank setzte.
    »Ich fühle mich manchmal so einsam«, sagte sie. »Das ist mein Problem. Ich habe keine Freunde außer der verdammten Schnapsflasche.«
    »Die Flasche kann Ihr schlimmster Feind sein. Lassen Sie sich das von jemandem sagen, der weiß, wovon er spricht.«
    »Ich hatte mal einen wunderbaren Job. Ich war Sekretärin in einer großen Firma.«
    »Was ist passiert?«
    »Mein Chef kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.«
    »Konnten Sie kein e andere Arbeit finden?«
    »Ich habe... ich konnte nicht... Ich habe den Mut verloren. Ich war zwanzig Jahre lang bei ihm gewesen, hatte gleich nach meiner Ausbildung bei ihm angefangen. Er war mehr als nur ein Chef. Wir fuhren gemeinsam auf Geschäftsreisen, und oft arbeiteten wir bis spät in die Nacht und ließen uns das Abendessen ins Büro bringen. Ich war damals so glücklich.«
    »Ich nehme an, er war verheiratet«, sagte Qwilleran. Isabelle stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich habe ihm immer die Geschenke für seine Frau und die Kinder besorgt. Als er starb, haben sie allen leid getan. Ich tat niemandem leid! Zwanzig Jahre! Ich hatte wunderschöne Kleider. Ich besitze noch die Cocktailkleider, die er mir gekauft hat. Ich ziehe sie an und setze mich an den Küchentisch und trinke Rum.«
    »Warum trinken Sie heute nicht?«
    »Mein Scheck ist noch nicht gekommen.«
    »Hat er Ihnen Geld hinterlassen?«
    Traurig schüttelte sie den Kopf. »Der Scheck ist von meiner Familie.«
    »Wo wohnt Ihre Familie?«
    »Am Stadtrand. Sie haben ein großes Haus in Muggy Swamp.«
    »Anscheinend haben Sie Ihr Klavier nicht verkauft.«
    »Winnie Wingfoot hat es sich angesehen, aber sie kann sich nicht entscheiden. Kennen Sie Winnie?«
    »Ich habe sie auf dem Parkplatz gesehen«, sagte Qwilleran.
    »Ist sie nicht hinreißend? Wenn ich so aussähe wie sie, dann hätte ich viele Freunde. Natürlich ist sie jünger. Könnten Sie ein Klavier brauchen?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Ist das Ihre Waschmaschine? Sie ist stehengeblieben«, teilte ihm Isabelle mit.
    Qwilleran lud seine Wäsche in einen Trockner um und kehrte zurück zu der Bank. »Verstehen Sie sich nicht gut mit Ihrer Familie?«
    »Sie wollen nichts mit mir zu tun haben. Ich glaube, sie genieren sich für mich. Haben Sie eine Familie?«
    »Nur zwei Katzen, aber wir drei sind eine richtige Familie. Haben Sie mal daran gedacht, sich eine Katze anzuschaffen?«
    »Hier im Haus gibt es Unmengen Katzen, aber... ich habe noch nie ein Haustier gehabt«, sagte sie ohne jegliches Interesse.
    »Sie sind angenehme Gesellschafter, wenn man alleine lebt – fast menschlich.«
    Isabelle wandte sich ab. Sie besah sich ihre Fingernägel. Sie blickte hinauf zur Decke.
    Qwilleran sagte: »Im neunten Stock gibt jemand Kätzchen ab.«
    »Wenn ich nur einen einzigen Freund hätte, dann wäre alles okay«, sagte sie. »Dann würde ich nicht trinken. Ich weiß nicht, warum ich keine Freunde habe.«
    »Ich kann Ihnen sagen, warum«, sagte er

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