Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
Qwilleran.
»R-e-w-a-y-n-e W-i-l-k. Ein großer Blonder mit langen Haaren und einem Grübchen am Kinn. Vielleicht haben Sie seine drei Meisterwerke gesehen. Er nennt sie Die Pizza-Esser, Die Hot-dog-Esser und Die Wing-Ding-Esser. Ich kann nur eines sagen... van Gogh hat das mit Kartoffeln besser gemacht.«
»Darf ich Ihr Glas nachfüllen, Inga?«
»Ich sage niemals nein.«
»Ich nehme an, Sie haben von Ross’ Geständnis gehört, das er an die Wand gemalt hat«, sagte er, während er einschenkte. »Ich habe es heute gefunden. Man hat es übermalt, aber die Buchstaben sind noch schwach zu sehen.«
»Wo? Zeigen Sie es mir.«
Sie gingen hinaus ans andere Ende des Vorraums; Koko lief voran, als wüßte er, wohin sie wollten. Qwilleran nahm das Bild mit dem Schlachtblock herunter und leuchtete mit einer nackten Glühbirne von der Seite auf die Wand.
Inga sagte: »Es sieht aus, als hätte er Pigmentfarben verwendet, direkt aus der Tube, und einen harten Zweiundzwanziger Pinsel, aber er hat ihren Namen falsch geschrieben. Der arme Junge! Er hatte Talent und eine Zukunft vor sich, und er warf beides weg.«
»Apropos vergeudetes Leben«, sagte Qwilleran. »Kennen Sie Adelaide Plumb?«
»Nicht persönlich, aber vom Hörensagen kenne ich sie seit vielen Jahren.«
»Kennen Sie die Geschichte, die man sich über sie erzählt – wie sie ihren Verlobten für Millionen verkaufte, um das Casablanca zu retten?«
»Das war nicht ihre Idee«, sagte Inga. »Sie wurde dazu gezwungen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ihr Vater hat das arrangiert! Das ist nicht die konventionelle Lesart, aber ich weiß zufällig, daß es wahr ist. Ich habe in den dreißiger Jahren hier gelebt, vergessen Sie das nicht... Wie spät ist es? Da schwatze ich wie ein Idiot dahin, dabei muß ich nach Hause. Ich wohne im Senior Towers, und wenn ich um elf nicht zurück bin, rufen sie im Leichenschauhaus an.«
»Ich bringe Sie nach Hause«, sagte Qwilleran.
»Rufen Sie mir ein Taxi.«
Bestimmt sagte er: »Inga, ich lasse Sie nicht aus den Augen, bevor ich sie im Senior Towers abgeliefert und eine Quittung mit Unterschrift bekommen habe.«
»Nun, das gehört wohl zu den Privilegien, die einem zuteil werden, wenn man achtzig ist«, sagte sie und strich sich selbstgefällig über den grauen Pony.
Koko folgte ihnen zur Tür. »Bin in ein paar Minuten zurück«, versprach Qwilleran, und als er zurückkam, saß der Kater erwartungsvoll da. Er ging voran in die Bibliothek und knetete mit den Vorderpfoten ungeduldig die Scrabble-Schachtel.
»Heute nacht wird nicht gespielt, mein Alter«, sagte Qwilleran. »Wir müssen etwas besprechen.«
Koko setzte sich aufrecht und aufmerksam auf den Bibliothekstisch, und Qwilleran schlug den Einband einiger großer Kunstbände auf. Dann öffnete er eine Schreibtischschublade und sah sich das Armband an, das Koko hinter dem Sofakissen gefunden hatte.
»Inga hat recht«, sagte er zu dem Kater. »Lady Di hat auf das Exlibris D-i-a-n-n-e geschrieben. Der van-Gogh-Band war ein Geschenk von Ross, und er hat hineingeschrieben ›Für D-i-a-n-n-e von Ross.‹ Auf dem Armband, das er ihr geschenkt hat, ist der Name ebenfalls mit Doppel-N eingraviert. Warum sollte er D-i-a-n-e an die Wand schreiben?«
»Yau!« meinte Koko ermutigend.
»Und warum sollte er sein Geständnis mit dem Logo unterschreiben, das er als Maler verwendet? Auf dem Armband war er ›Ross‹ und in dem geschenkten Buch war er ›Ross‹.« Qwilleran klopfte sich auf den Schnurrbart. »Es kommt mir ganz so vor, als wäre der Selbstmord ein Bluff. Irgend jemand hat ihm Drogen gegeben und ihn dann von der Terrasse gestoßen. Danach ist er ins Atelier gegangen und hat sich eine Tube mit roter Farbe geholt.«
»Rrrrrrrrrrrr«, machte Koko.
»Morgen reden wir einmal mit Lieutenant Harnes, damit er herausfindet, wer Lady Di wirklich umgebracht hat und wer ihren Liebhaber vom hinteren Ende der Terrasse geworfen hat, wo das Flutlicht nicht hinscheint.«
Der Kater schlug mit dem Schwanz auf den Tisch – zweimal.
»Vielleicht waren auch zwei an dem Verbrechen beteiligt.«
Anmerkung der Autorin:
Es gibt kein Kapitel dreizehn in diesem Buch.
Am frühen Samstagmorgen rief Qwilleran im Morddezernat an und hinterließ eine Nachricht für Lieutenant Harnes. Als ein paar Minuten später das Telefon läutete, war er darauf eingestellt, den Kriminalbeamten zu begrüßen, hörte jedoch statt dessen die wohltuende Stimme von Polly.
»Wo warst du gestern
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