Die Katze
es aussieht, essen Sie Ihre Vorspeise nicht.«
Charley kicherte und führte die Gabel erneut zum Mund. »Ich meinte...«
»Ich weiß, was Sie gemeint haben.«
»Was mache ich mit Jill? Oder vielleicht sollte ich sagen, was macht Jill mit mir? Ist das Ganze für sie nur ein ausgeklügeltes Spiel? Spielt sie mit mir? So wie sie mit Tammy Barnet und den Starkey-Zwillingen gespielt hat, bevor sie...« Ihre Stimme verlor sich, ihr Blick blieb an einer gemalten Landkarte Italiens kleben, die über Alex’ Kopf an der Wand hinter ihm hing.
»Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen«, sagte Alex. »Ich glaube ehrlich, dass sie kooperieren will, dass sie möchte, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Ich weiß, dass sie ungeheuer viel von Ihnen hält.«
»Soll ich mich deshalb besser fühlen? Weil eine Kinder mordende Psychopathin mich toll findet?«
»Es ist schwer für sie, Charley. Sie hat noch nie mit jemandem über diese Dinge gesprochen. Mit niemandem.«
»Nicht mal mit Ihnen?«
»Nicht mal mit mir.« Er nahm den letzten Bissen von seinem Salat. »Jedenfalls nicht so detailliert, wie sie mit Ihnen darüber spricht. Ich wusste natürlich von Ethan. Und ich habe so meinen Verdacht, was ihren Vater angeht.«
Charley fuhr mit dem Finger an der Kante der weißen Papiertischdecke entlang. »Zum Beispiel?«
Alex zögerte.
»Kommen Sie, Alex. Ich weiß, dass Jill Ihnen erlaubt hat, mit mir darüber zu reden.«
»Ja, das hat sie. Ich bin bloß so daran gewöhnt, die Vertraulichkeit des Mandantenverhältnisses zu wahren , dass es mir schwerfällt, mit dieser Gewohnheit zu brechen. Vor allem gegenüber einer Reporterin, die Einzelheiten enthüllt sehen will.«
Charley merkte, dass es sie piekste, von ihm beiläufig als bloße Reporterin bezeichnet zu werden. Sei nicht albern, schimpfte sie mit sich, schob das Carpaccio in den Mund und kaute wütend darauf herum. Das war sie doch schließlich, oder nicht? Eine Reporterin, die versuchte, ihren Job zu machen, die Wahrheit herauszukitzeln und einen Bestseller über eine herzlose, eiskalte, gruselige Soziopathin zu schreiben und damit reich, berühmt und respektiert zu werden, nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge. Was sollte sie für ihn anderes sein als eine Reporterin?
Sie ertappte sich bei der Frage, was sie anderes für ihn sein wollte , und biss in ein weiteres Stück rohes Fleisch. »Was für einen Verdacht hegen Sie denn gegen Jills Vater?«, fragte sie, um sich davon abzulenken, wie elegant Alex in seinem dunkelblauen Anzug aussah und wie die Farbe das tiefe Blau seiner Augen betonte. Was war los mit ihr?
»Ich glaube, dass er Jill ebenfalls sexuell missbraucht haben könnte. Denken Sie das nicht auch?«
Charley seufzte. »Ich denke, verglichen mit den Rohmers wirken die Webbs beinahe normal.«
Alex lachte, und Charley erwartete, dass er die naheliegende Frage nach ihrer Familie stellte, was er jedoch nicht tat.
Es war ihm offensichtlich gleichgültig, dachte sie. »Wieso haben Sie bei Jills Prozess nichts von all dem zur Sprache gebracht?«
»Was genau?«
»Den Missbrauch, die Familiengeschichte, den mysteriösen Jack Splat.«
»Das wollte ich.«
»Und Jill hat Sie nicht gelassen?«
»Sie hat sich geweigert auszusagen«, erwiderte er schlicht. »Sie hat gedroht, alles zu leugnen, wenn ich auch nur die Möglichkeit eines Missbrauchs oder eines Mittäters aufwerfen würde.«
»Wollte sie jemanden schützen, oder hatte sie Angst?«
»Wahrscheinlich ein bisschen von beidem.« Er leerte sein Weinglas und sah sich nach einem Kellner um. »Ich nehme an, das Buch soll ihre Aussage werden.«
»Ein bisschen spät, finden Sie nicht? Sie sitzt in der Todeszelle.«
Alex wand sich auf seinem Stuhl, schob seinen Teller in die Mitte des Tisches und hätte dabei beinahe die kleine Vase mit bunten Plastikblumen umgestoßen. »Der Aufenthaltsort meiner Mandantin ist mir schmerzlich bewusst, Miss Webb«, sagte er.
»Tut mir leid. Ich wollte nicht...«
»Nein, mir tut es leid«, entschuldigte er sich sofort. »Ich wollte Sie nicht so anfauchen. Könnten wir vielleicht über etwas anderes reden? Irgendwas ? Wenigstens für eine Weile?«
»Selbstverständlich.«
Beide schwiegen.
»Und weshalb sind Sie Anwalt geworden?«, fragte Charley schließlich und verdrehte die Augen. Das war wohl die blödeste Frage, die man stellen konnte, dachte sie und fühlte sich wie ein Teenager beim ersten Date. Warum war sie so nervös?
»Würden Sie mich für einen Moment
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