Die Katze
dachte an die E-Mails, in denen Franny und James bedroht worden waren. Sie würde jeden umbringen, der versuchte, ihnen etwas anzutun.
Wir tragen beide eine Menge Wut mit uns herum , hatte Jill gesagt.
Da hatte sie auf jeden Fall recht.
Ihr Handy flötete. Charley kramte in ihrer Tasche, fand ihr Handy und warf einen Blick auf die Anruferanzeige, doch sie erkannte die Nummer nicht. »Hallo? Hallo?«, sagte sie noch einmal, als niemand antwortete. Charley wartete drei Sekunden,
bevor sie das Handy zuklappte und wieder in ihre Tasche steckte. »Idiot«, fluchte sie, als das Telefon erneut zu klingeln begann. »Hallo?«
»Charley?«, fragte eine lallende, unidentifizierbare Stimme.
»Wer ist da?«
»Charley.« Diesmal klang es eher wie ein Seufzer.
Charley spürte ein flaues Gefühl im Magen. »Bram, bist du das?«
»Wie geht’s, Charley?«
»Verdammt. Bist du betrunken?«
»Ich weiß nicht. Bin ich betrunken?«
»Wo bist du?«
»Bitte schrei mich nicht an, Charley. Mein Kopf platzt gleich.«
»Wo bist du, Bram?«, wiederholte Charley.
»Ich weiß nicht genau.«
»Scheiße!«
»Du solltest nicht fluchen. Das würde Mutter gar nicht gefallen!«
»Ist da sonst noch jemand, mit dem ich sprechen könnte?«
»Ein Mädchen.« Er kicherte. »Ich kann mich irgendwie nicht an ihren Namen erinnern, aber sie kommt gerade aus dem Bad, und sie hat nichts an. Oje. Sie sieht nicht glücklich aus.«
»Gib her«, hörte Charley eine Frau sagen. »Hallo? Wer ist da?«
»Ich bin Brams Schwester. Wer sind Sie?«
»Mein Name tut nichts zur Sache. Entscheidend ist, dass Ihr Bruder die ganze Nacht hier war und mir zweihundert Dollar schuldet. Kümmern Sie sich darum, oder ich muss mich um ihn kümmern, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Charley schloss die Augen und rieb sich die Stirn. »Sagen Sie mir einfach, wo Sie sind«, forderte sie die Frau auf und notierte die Adresse auf der Rückseite von einem von Jills Blättern. »Ich komme, so schnell ich kann.«
KAPITEL 26
»Das hat ja gedauert.« Die Frau in der Tür hatte eine Hautfarbe wie zähflüssiger, dunkler Sirup. Sie trug ein magentafarbenes Top aus Polyester, mit einem tiefen V-Ausschnitt, der die falsche Fülle ihrer Brüste hervorhob, und einen hellgrünen Minirock zu hohen, braunen Wildlederstiefeln. Eine üppige Mähne dunkler Locken rahmte ihr rundes Gesicht und betonte die Falten um ihre argwöhnisch blickenden braunen Augen und die aufgespritzten Lippen.
Es war das Gesicht einer Frau, die schon alles gesehen hatte und meistens enttäuscht worden war, dachte Charley, als sie das heruntergekommene Apartment betrat, das nach schnellem Sex und verschüttetem Bier roch. »Ich habe mich wirklich beeilt. Auf der Strecke gibt es eine Menge Baustellen.«
»Ersparen Sie mir die Einzelheiten. Wo ist mein Geld?«
»Wo ist mein Bruder?«
»Schläft.« Die Frau wies mit dem Daumen zum Schlafzimmer im hinteren Teil der Wohnung und hielt dann die Hand auf.
Charley zog das Geld aus der Gesäßtasche ihrer Jeans und drückte es der Frau in die Hand. Sie zählte die zehn Zwanzig-Dollar-Scheine, die Charley aus einem Geldautomaten in der Nähe gezogen hatte, einzeln nach und ließ sie in ihrem Ausschnitt verschwinden, bevor sie Charley durch das dustere Wohnzimmer führte. Aber auch ohne Licht und bei zugezogenen Vorhängen konnte Charley die leeren Flaschen auf dem
billigen Plüschteppich ausmachen. Marihuanageruch stieg ihr in die Nase. »Was für Drogen hat er genommen?«, fragte sie die Frau, die die Schlafzimmertür aufhielt.
»Ich weiß nichts von Drogen.« Sie wies auf die auf dem Bett liegende Gestalt. »Schaffen Sie ihn einfach hier raus, ja? Ich muss wieder an die Arbeit.«
Charley trat näher ans Bett. Brams weißes Hemd war aufgeknöpft, der Reißverschluss seiner Jeans nur halb zugezogen, als ob die Anstrengung, sich anzukleiden, ihn überwältigt und erschöpft in Ohnmacht hätte sinken lassen. Wenn er einen Gürtel getragen hatte, fehlte der jetzt. Immerhin hatte er beide Schuhe an. »Können Sie mir helfen?«
Die Frau schwenkte ihre langen künstlichen Fingernägel. »Sorry, Süße. Ich kann nicht riskieren, mir die hier abzubrechen. Die haben mich eine Stange gekostet.«
Charley atmete tief ein und hielt, um die muffigen Aromen, die von den Laken aufstiegen, nicht mit zu inhalieren, die Luft an, bevor sie Brams rechten Arm packte, über ihre Schulter legte und versuchte, ihn hochzuziehen. Es war, als wollte man den Stamm einer alten Eiche an
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