Die Katze
abgeht.«
»Kennen Sie einen Mann namens Glen McLaren?«, fragte Charley, als ihr die mögliche Verbindung zwischen Glen und Jills Bruder Ethan wieder einfiel.
»Glen wie?«, fragte Jill und spannte kaum merklich die Schultern an.
»McLaren.«
Jill schüttelte den Kopf und starrte auf die Wand in Charleys Rücken. »Glaub nicht. Wer ist das?«
»Er besitzt mehrere Clubs. Ihr Bruder kennt ihn möglicherweise.«
»Ach ja? Ich werde ihn auf jeden Fall fragen, wenn er mich das nächste Mal besucht.« Sie lachte. »Mein Vater war vor ein paar Tagen hier. Wussten Sie das?«
Charley war bemüht, sich keinerlei Überraschung anmerken zu lassen. Sie schaltete den Kassettenrekorder ein. »Nein, das wusste ich nicht. Wie ist es gelaufen?«
Jill lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Nicht besonders gut.«
»Warum nicht?«
»Er möchte nicht, dass ich mit Ihnen rede und das Buch mache. Er sagt, es ist nicht gut für meine Mutter, und Ethan hätte deswegen schon einen Haufen beschissener Probleme.«
Charley sagte nichts und wartete, dass Jill weitersprach.
»Ich hab ihm gesagt, es wäre zu spät. Ich würde es trotzdem machen.«
»Wie hat er darauf reagiert?«
»Er hat gesagt, ich wäre ein undankbares Miststück. Und dass es gut wäre, dass ich in der Todeszelle sitze, weil er mich sonst eigenhändig umbringen würde.«
»Reizend.«
Jill kicherte. »Das hätte ich ihm antworten sollen.«
»Was haben Sie ihm denn geantwortet?«
»Dass es mir leid tut.« Sie fing an zu weinen. »Können Sie das glauben? Ich habe mich bei ihm entschuldigt!«
»Wofür?«
»Dafür, dass ich nicht die Tochter bin, die er sich gewünscht hat. Dafür, dass ich meiner Mutter Kummer bereitet habe. Dafür, dass ich Schande über unsere Familie gebracht habe.«
»Er ist auch nicht direkt schuldlos.«
»Das weiß ich.«
»Er sollte sich bei Ihnen entschuldigen.«
»Das weiß ich auch. Aber das wird er natürlich nie machen.« Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Pferdeschwanz gegen ihren Hals schlug. »Wie ist Ihr Vater?«
Charley spürte, wie ihr der Atem stockte, sodass sie die Worte nur mit Mühe herausbrachte. »Er ist ein außergewöhnlich brillanter Kopf. Ein Akademiker. Professor für Englische Literatur in Yale. Ein fantastischer Redner. Sehr anspruchsvoll.«
»Nicht zuletzt gegenüber seinen Kindern«, fügte Jill hinzu, als wüsste sie es.
»Das auch«, stimmte Charley ihr zu.
»Haben Sie nicht in einer Ihrer Kolumnen geschrieben, dass Sie beide nicht mehr miteinander sprechen?«
»Ja, das ist richtig.«
»Warum nicht?«
»Ich nehme an, ich bin auch nicht direkt die Tochter, die er sich gewünscht hat.«
Jill nickte. »Da haben wir wohl etwas gemeinsam.«
»Haben wir wohl.«
»Ich finde, wir haben eine Menge gemeinsam.«
»Das sagten Sie schon«, erwiderte Charley und dachte an Jills ersten Brief.
»Und ich meine nicht bloß unsere BH-Größe«, sagte Jill. »Wir tragen beide eine Menge Wut mit uns herum.«
»Sie glauben, ich sei wütend?«
»Sind Sie etwa nicht wütend?«
»Sind Sie wütend?«, kehrte Charley die Frage um.
»Ich habe zuerst gefragt.« Jill verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich bin nicht wütend.«
»Sie lügen.«
»Warum sollte ich lügen?«, gab Charley spöttisch zurück.
»Das müssen Sie mir sagen.«
»Da gibt’s nichts zu sagen.«
»Sie sind nicht wütend auf Ihre Mutter, weil sie abgehauen ist und Sie verlassen hat, als Sie ein kleines Mädchen waren? Sie sind nicht wütend auf Ihren Vater, weil er ein brillanter Akademiker, aber als Mensch ein Versager ist? Sie sind nicht wütend auf Ihre Schwestern, weil sie zwar weniger Talent, aber viel mehr Erfolg haben als Sie? Sie sind nicht wütend auf Ihren Bruder, weil er so total verkorkst ist? Sie sind nicht wütend auf Ihre Nachbarn, weil die irgendwas gemacht haben, wofür man auf Nachbarn so sauer ist? Sie sind nicht wütend auf Ihre Freunde? Halt, warten Sie, das hatte ich vergessen. Sie haben
keine Freunde. Warum nicht? Weil sie Sie so wütend machen.«
»Okay, Jill. Ich denke, Sie haben sich deutlich genug ausgedrückt.«
Jill lachte. »Das ist das Problem mit Kolumnen wie Ihren, Charley. Die Leute lernen, zwischen den Zeilen zu lesen, weil dort all die spannenden Sachen stehen.«
Charley nickte und gab vor, den Kassettenrekorder zu überprüfen, während sie in Wirklichkeit nur versuchte, Zeit zu schinden. Sie musste tief Luft holen und sich zusammenreißen, um Jill nicht anzubrüllen.
»Der
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