Die Katze
Gedanken.
Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, die nicht ganz so extravagant teuren Waren zu betrachten, die in respektvollem Abstand voneinander in den langen Regalen zu beiden Seiten des kleinen Ladens standen. Zwischen den hinreißenden geflochtenen Ledertaschen, die das Markenzeichen von Bottega sind, war eine Reihe von fantastischen Slingback-Sandaletten und High Heels ausgestellt, alle gleich atemberaubend schön und atemberaubend teuer, obwohl sich selbst ein Paar Pumps für siebenhundert Dollar neben einer Handtasche für siebentausend
Dollar durchaus preiswert ausnimmt. Und was sind siebentausend Dollar verglichen mit fünfundsiebzigtausend? Ein echtes Schnäppchen, dachte ich und entschied, dass ich den Laden verlassen musste, bevor es zu spät war.
Auf meinem Weg die Worth Avenue hinunter schaute ich noch in eine Reihe weiterer Läden. Bei Armani fand ich einen Seidenrock für fünfzehntausend Dollar, bei Chanel ein schlichtes Baumwollkleid für achttausend und bei Van Cleef & Arpels einen Anhänger aus gelbem Diamant für zwei Millionen Dollar. Bei Neiman Marcus entdeckte ich die Sechstausend-Dollar-Bluse von Oscar de la Renta, die ich in der jüngsten Ausgabe der Vogue bewundert hatte. An einem Ständer! Inmitten lauter anderer Kleidungsstücke in der gleichen Preiskategorie. Als ob das völlig normal wäre, fragte mich die Verkäuferin nüchtern: »Möchten Sie sie anprobieren?«
»Vielleicht ein anderes Mal«, antwortete ich und floh in Richtung Ozean am östlichen Ende der Straße, um mir den Kopf frei wehen zu lassen.
»Wer kauft diese Sachen?«, hörte ich mich laut fragen, und eine sanfte Meeresbrise trug meine Stimme weiter. Als ich meine Sandalen (16,99 $ das Paar bei Payless) abstreifte, um über den kühlen Sand zu laufen …
»Nein, nicht gut. Klingt ein bisschen zu sehr nach Denk an die Liebe «, murmelte Charley, löschte die beiden letzten Zeilen und hielt inne, um zu überlegen, was sie als Nächstes sagen wollte.
Wer kauft diese Sachen, fragte ich mich und musterte prüfend jede Frau, die mir entgegenkam. Könnte die hässliche Handtasche am Arm der alten Schachtel in dem dunkelblauen Jogging-anzug fast so viel wert sein wie mein Haus? Kosteten die überdimensionierten Sonnenbrillen, die die Pickel von zwei Teenagern verdeckten, die kichernd vor Tiffany’s standen, vielleicht mehr als die monatliche Rate für mein Auto? War niemand außer mir schockiert über die Preise, die die Designer für ihre Waren verlangten - und die die Menschen bezahlten?
»Oha. Das klingt vielleicht langsam ein bisschen verlogen«, sagte Charley leise.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin nicht naiv, wenn es um den Preis geht, den man heutzutage bezahlen muss, um modisch auszusehen. Auch ich habe schon exorbitante Summen für eine Jeans bezahlt, nur weil auf der Gesäßtasche eine kleine Krone aufgestickt war. Aber sechstausend Dollar für eine Bluse? Fünfundsiebzigtausend Dollar für eine Handtasche? Sind denn alle verrückt geworden?
Und was bringt uns solche Extravaganz letztendlich?
Ja, was bringt sie uns, fragte Charley sich, noch immer unsicher, was sie eigentlich sagen wollte.
Können wir uns damit besseren Sex, Gesundheit oder ein längeres Leben kaufen?
Während wir auf zu hohen Pfennigabsätzen an unseren armen Füßen die Straße hinunterstöckeln, die Schultermuskeln vom Gewicht unserer riesigen Krokoledertaschen verkrampft, bröseln unsere Knochen vielleicht schon vor sich hin und drohen, sich womöglich ganz aufzulösen. Trotz aller Fortschritte der modernen Wissenschaft und all unserer Bemühungen, es zu leugnen, werden wir älter. Kieferknochen-Nekrose ist nur eine unüberlegte Wunderpille entfernt.
»Charley«, unterbrach Michael Duff sie.
Charley fuhr mit ihrem Stuhl herum.
Der Chefredakteur füllte den gesamten Eingang zu ihrer Klause. »Eine Polizeibeamtin möchte mit Ihnen sprechen.«
»Die Polizei?«
»Wegen der E-Mail«, erklärte er. »Sie ist in meinem Büro.«
»Oh.« Charley speicherte die angefangene Kolumne für den kommenden Sonntag und folgte Michael in sein Büro. In Wahrheit hatte sie die E-Mail vom Montag schon fast wieder vergessen. Es schien ihr Ewigkeiten her. »Weiß die Polizei, wer
sie geschickt hat?«, fragte sie den Rücken von Michaels grünweißem Golf-Shirt.
»Ich glaube, die Frau möchte nur mit Ihnen reden«, sagte er, öffnete die Tür zu seinem Büro und trat beiseite, um Charley als Erste eintreten zu lassen.
Die uniformierte
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