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Die Katze

Titel: Die Katze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding Kristian Lutze
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wie die Frage, ob Veranlagung oder Erziehung den Menschen nachhaltiger prägt. Wichtig ist letztendlich nur, für welches
Verhalten wir uns entscheiden. Unsere Eltern können wir uns nicht aussuchen. Aber wir können uns aussuchen, was für Eltern wir sein wollen. Und als Zuschauer haben wir ebenfalls die Wahl: Wir können unsere Stimme gegen die Ungerechtigkeit erheben, wann und wo immer wir Zeuge davon werden. Oder wir können einfach den Platz wechseln und nichts tun.
    Das Klopfen an Charleys Haustür war ebenso ungestüm und beharrlich wie unerwartet, da es noch nicht einmal neun Uhr war, zu früh für einen sonntäglichen Besuch. Charley stellte ihre Kaffeetasse ab, schob die Zeitung, in der sie gelesen hatte, beiseite - sie überflog ihre eigene Kolumne immer gern noch einmal, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sie sich gesetzt und gedruckt las -, vergewisserte sich, dass der Gürtel ihres blauen Bademantels fest geknotet war, und ging durch den Flur zur Haustür. »Wer ist da?«, rief sie und warf auf dem Weg einen Blick ins Kinderzimmer, wo Franny und James mit einem neuen Brettspiel beschäftigt waren, das ihre Mutter ihnen mitgebracht hatte.
    »Lynn«, ertönte die wütende Antwort. »Mach die Tür auf. Ich hab ein Hühnchen mit dir zu rupfen.«
    Charley schloss die Augen, atmete tief durch und zwang sich zu einem Lächeln, bevor sie die Haustür öffnete und glaubte, ein Déjà-vu zu haben. Auf der Stufe vor der Tür stand Lynn Moore und fuchtelte mit der aktuellen Ausgabe der Zeitung vor ihrer Nase herum, sodass die Strasssteine auf ihren langen, rot glänzenden Fingernägeln vor Charleys Augen blitzten wie die winzigen Spiegel einer Discokugel. Lynns dunkle Haare waren zu einer schiefen Hochfrisur aufgesteckt, die sekündlich eine oder mehrere ihrer zahlreichen Nadeln abzuwerfen drohte. »Noch eins?«, fragte Charley überdrüssig.
    »Hast du sonst keinen, den du quälen kannst?«
    »Meine Kolumne hat dir nicht gefallen«, stellte Charley fest.
    »Was hast du überhaupt gegen mich?«

    Charley spürte, wie ihre Schultern sackten. »Möchtest du reinkommen?«
    »Nein, ich will nicht reinkommen.«
    »Ich hab gerade frischen Kaffee gemacht.«
    »Ich will keinen Kaffee. Ich will gar nichts von dir, außer dass du mich in Ruhe lässt.«
    »Und trotzdem bist du hier«, bemerkte Charley.
    »Schlimm genug, dass du mich schon als eine alberne Sex-Besessene lächerlich gemacht hast …«
    »Ich habe nie gesagt …«
    »Jetzt bin ich auch noch verantwortungslos.«
    »Wovon redest du?«
    »Was sollte ich denn machen?«, fuhr Lynn fort, als hätte Charley gar nichts gesagt. »Ich war auf meinem Sitz neben dem dicken Kerl eingezwängt, und seine Ansage war klar: ›Komm mir bloß nicht krumm.‹ Was hätte ich also bitte schön machen sollen, als er anfing, seinem Kind eine runterzuhauen? Ich habe die Stewardess gerufen, ihr erklärt, was los war, und sie hat mir geraten, den Platz zu tauschen. Ich frage dich also, was sollte ich machen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Von wegen«, rief Lynn und schwenkte die Zeitung vor Charleys Gesicht. »Laut unserer kleinen Miss Neunmalklug hätte ich die Stimme erheben müssen gegen die Ungerechtigkeit, deren Zeuge ich geworden war, ungeachtet der Tatsache, dass ich mich auf engstem Raum siebenunddreißigtausend Fuß über dem Meeresspiegel befand und niemand sonst in dem verdammten Flieger die Ohrfeige mitbekommen hatte.«
    »Ich meinte nicht speziell dich«, wich Charley aus.
    »Natürlich meintest du mich. Wer hat dir die Geschichte denn erzählt?«
    »Ich wollte bloß einen Standpunkt illustrieren.«
    »Oh, das ist dir gelungen. ›Als Zuschauer haben wir die Wahl: Wir können unsere Stimme gegen die Ungerechtigkeit
erheben oder einfach die Plätze tauschen.‹ Wird es dir eigentlich nie langweilig, andere Menschen zu verurteilen?«
    »Es war nicht meine Absicht, andere zu verurteilen.«
    »Was heißt da Absicht? Du kannst doch gar nicht anders, als andere niederzumachen. Du bist wirklich ein starkes Stück!«
    »Mommy?«, fragte eine ängstliche Stimme hinter ihr.
    Charley drehte sich um und sah Franny unsicher und mit bestürzt aufgerissenen Augen in der Küchentür stehen. »Alles in Ordnung, Schätzchen. Mrs. Moore ist bloß ein bisschen wütend.«
    »Auf dich?«
    »Schon gut, Franny«, erklärte Lynn dem Kind. »Ich gehe jetzt. Tu mir nur einen Gefallen«, sagte sie zu Charley. »Hör auf, mein Leben als Futter für deine Kolumne zu benutzen.«
    »Danke, dass du

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