Die Katze
misshandelt, übersehen oder gemieden. Aus welchem Grund auch immer, sie sind mit Männern durch. Sie suchen ein wenig Wärme, und wenn der Körper, der diese Wärme ausstrahlt, verdächtig aussieht wie ihr eigener, müssen sie sich daran vielleicht erst gewöhnen, aber das ist letztendlich okay. Frauen sind es gewöhnt, sich anzupassen. Darin sind wir gut.
Und während meine Mutter nun offenbar beschlossen hat, auf das »richtige« Ufer zurückzukehren, hatte sie sich zwanzig Jahre lang kühn dafür entschieden, lesbisch zu sein. Außerdem hatte sie entschieden, ihre Kinder im Stich zu lassen, wofür sie garantiert nicht zur Mutter des Jahres gekürt wird. Aber was genau macht eine gute Mutter eigentlich aus?
Ich musste in diesem Zusammenhang an eine Geschichte denken, die eine Nachbarin mir vor einer Weile erzählt hat. Sie war auf dem Rückflug von irgendwoher und hatte das Pech, neben einem Bär von einem Mann und seinem kleinen Sohn zu sitzen. Kurz nach dem Start begann der Junge herumzuzappeln, worauf sein Vater ihm barsch erklärte, er solle stillsitzen. Der Junge beschwerte sich, dass die Leibesfülle seines Vaters ihn einengte. Der Vater erklärte ihm, er solle »die Klappe halten«, wenn er »keine verpasst kriegen« wollte. Der Sohn entgegnete, dann würde er die Polizei rufen. Daraufhin knallte sein Vater ihm eine. Meine Nachbarin rief die Stewardess und bat, auf einen anderen Platz gesetzt zu werden. Die Mutter des Jungen, die, wie sich herausstellte, in der Reihe hinter ihnen saß, willigte rasch ein, mit ihr zu tauschen. Beim Platzwechsel hörte meine Nachbarin, wie die Mutter ihren Sohn anflehte, seinem Vater zu gehorchen.
Ist sie eine fürsorgliche Mutter? Ist es ein Aspekt der weiblichen Natur, Frieden zu stiften und zu besänftigen? Es stimmt, sie hat ihren Sohn nicht im Stich gelassen, war zumindest bei ihm, aber welche Botschaft hat sie ihm vermittelt? Dass es okay ist, jemanden zu schikanieren und zu schlagen, weil der andere kleiner und hilfloser ist? Dass Macht immer recht hat? Sie würde zweifelsohne entgegnen, dass sie keine andere Wahl hatte, weil sie ihrem Mann genauso hilflos ausgeliefert war wie ihr Sohn. In diesem Moment gegen ihn aufzubegehren, hätte später Schläge nach sich gezogen. Aber in Wahrheit hatte sie wie jeder Erwachsene
sehr wohl eine Wahl; und es ist die Pflicht einer Mutter, ihre Kinder zu schützen, auch wenn sie sich dafür selbst der Bedrohung in den Weg stellen muss.
Ich habe in diesen Tagen viel über Kindesmisshandlung nachgedacht und kann es einfach nicht begreifen. Warum bekommt man Kinder, wenn man sie dann misshandelt? Es ist schließlich nicht so, als ob es keine anderen Optionen gäbe. Wir haben die Wahl zwischen diversen Formen der Geburtenkontrolle, können eine Schwangerschaft abbrechen oder ein ungeplantes Baby zur Adoption freigeben, damit es die Chance auf ein stabiles und liebevolles Zuhause hat. Stattdessen entscheiden wir allzu häufig, Kindern lieblose, ja geradezu feindselige Umgebungen zuzumuten; mit Eltern, die in vielerlei Hinsicht erbärmlich sind.
Ich spreche hier nicht von minderjährigen Müttern, die von der Sozialhilfe leben. Die haben es ohnehin schon schwer genug, zumal die meisten dieser Mädchen früher selbst misshandelt worden sind. Sie geben sich in der Regel alle Mühe, ihren Babys eine gute Mutter zu sein, auch wenn es alles andere als einfach für sie ist. Denn wenn ein Kind die ganze Nacht schreit, können diese Schreie leicht wie ein Vorwurf klingen - »Du bist keine gute Mutter!«. Das Geheul bestätigt dann die schlimmsten Ängste dieser jungen Frauen, die ihr Leben lang nach Anerkennung gesucht und sie nie bekommen haben. Weder von ihren untreuen Männern noch von ihrem brüllenden Nachwuchs. Manchmal ist es dann leicht zuzuschlagen.
Was aber hält den einen davon ab, ein Kind zu schlagen, während ein anderer einen schreienden Säugling hochnimmt und so lange durchschüttelt, bis sein Genick bricht? Sind manche Leute von Natur aus gewalttätiger als andere, oder sind sie in Familien aufgewachsen, in denen Gewalt dazugehörte? Misshandlung ist eine übertragbare Krankheit, die von Generation zu Generation weitergereicht wird und jederzeit tödlich verlaufen kann.
Ich könnte sagen, meine Mutter hat mich verlassen, aber sie hat mich wenigstens nicht geschlagen. Sie könnten entgegnen, Ihre Mutter habe sie zwar geschlagen, sei aber wenigstens immer da gewesen. Die Debatte ist endlos und schlussendlich ebenso sinnlos
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