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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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anstellen. Aber es war ziemlich eindeutig, dass es sich bei dem Großteil davon wohl um Beschimpfungen der übelsten Art handelte. Gustav Bjarnesson war schier außer sich vor Wut, wobei noch nicht einmal klar war, ob man ihm tatsächlich alles so übersetzt hatte, dass er wirklich wusste, worum es hier eigentlich ging.
    Seine Begleiter mussten ihn beruhigen und davon abhalten, sein Schwert zu ziehen. Ein paar wüste, zotige Beschimpfungen kamen noch über Gustav Bjarnessons Lippen, die allesamt auf Herward gemünzt waren.
    Zeitweilig drohte der Tumult im Saal überhandzunehmen, und es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Lage einigermaßen beruhigte.
    Jetzt hielt es allerdings auch Johanna nicht mehr auf ihrem Platz. »Gestern Abend habt Ihr Euch mit Frederik von Blekinge noch einvernehmlich vor dem Dom unterhalten!«, rief sie, so laut sie konnte. Ihre hohe Stimme drang durch das allgemeine Gerede mühelos hindurch, und da sie die einzige Frau war, die sich bisher geäußert hatte, stachen ihre Worte umso deutlicher hervor. Sofort waren alle Augen auf Johanna gerichtet. Da sie keine Ratsgesandte war, sondern nur in untergeordneter Funktion an den Beratungen teilnahm, stand es ihr eigentlich nicht zu, das Wort zu erheben. »Ich habe Euer Gespräch zum Teil mitangehört, und ich frage mich, wie Ihr in aller Freundschaftlichkeit mit einem Mann reden könnt, der doch angeblich Euren Begleiter und Gefährten umgebracht hat!«
    Erneut brandete Geraune auf.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, weshalb Ihr so etwas sagt, junge Frau«, sagte Herward mit einem kühl wirkenden Lächeln. »Da müsst Ihr etwas verwechseln.«
    »Ich habe Augen und Ohren, die selten etwas verwechseln!«, rief Johanna zurück. »Aber wollt Ihr etwa leugnen, dass Euch Frederik von Blekinge schon vorher bekannt war? Dass Ihr auf den Besitzungen seiner Familie Gast wart so wie vor vielen Jahren auch in unserem Haus in Lübeck?«
    Herwards Augen wurden jetzt schmal, als er Johanna mit seinem durchdringenden Blick fixierte. »Ich weiß nicht, welcher Teufel Euch reitet, diesen Mörder zu verteidigen, junge Frau. Vielleicht ist das eine ganz und gar irdische Art der Verwirrung, die die meisten von uns hin und wieder befällt und von der man sagt, es sei sogar für Angehörige des geistlichen Standes nicht leicht, sich davon wirklich frei zu machen.«
    Nach diesen Worten gab es einen Anflug von Gelächter, der aber sogleich wieder erstarb, zu ernst war die Angelegenheit.
    Herward hatte die Wirkung seiner Worte trotz allem genau kalkuliert. Er wartete einen Moment, um sie noch zu verstärken. Ganz zweifellos wollte er Johanna der Lächerlichkeit preisgeben – und tatsächlich fühlte die junge Frau in diesem Augenblick eine tiefe, plötzlich aufkommende Scham. Sie fragte sich, ob dieser Mann vielleicht mehr über sie und Frederik wusste. Nein, das ist absurd, dachte Johanna. Herward konnte nichts von dem wissen, was sich im Dom zwischen ihr und Frederik zugetragen hatte. Und doch sah er sie auf eine Weise an, als würde er auf den tiefsten Grund ihrer Seele blicken und buchstäblich alles sehen, auch jene Geheimnisse, die sie bisher noch nicht einmal einem Beichtvater anvertraut hatte.
    »Ich bestreite nicht, Gast der Familie von Blekinge gewesen zu sein. Ich bestreite auch nicht, Frederik zu kennen – umso erschütterter war ich, als ich sah, dass er ein gemeiner, käuflicher Mörder ist, der sich offenbar von Waldemar und seinen Schergen hat kaufen lassen!« Herward wandte sich wieder Frederik zu und deutete mit dem Finger auf den Schweden. »Gerade weil ich Eure Besitzungen und Eure Familie kenne wie wohl niemand sonst hier in diesem Saal, kann ich erfassen, was Waldemar Euch genommen hat und wie viel es Euch wert sein könnte, dies zurückzuerlangen. Ihr seid im Übrigen nicht der einzige Edelmann von der schonischen Küste, der von Waldemar für seine perfiden Pläne angeworben wurde. Er reist doch auf der Suche nach Verbündeten durch das ganze Reich und schickt auch seine Sendboten aus! Und manche von ihnen sind Leute wie Ihr, die sich als Verräter unter die Handelsleute mischen, ihre Pläne durchkreuzen und sie in Einzelfällen sogar umbringen sollen! Ergreift dieses Scheusal und lasst es nicht entkommen! Wo sind die Wachen? Wo ist hier ein Bürgermeister, der seines Amtes waltet?«
    Jetzt entstand erneut ein Tumult. Es wurde geschoben und gedrängt. Für niemanden wäre es in diesem Augenblick möglich gewesen, den Saal zu verlassen.

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