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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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Bürgermeister Mathias Overstolz rief nach den Wachen, und Gustav Bjarnesson machte seine ursprüngliche Absicht doch noch wahr und zog sein Schwert. Mit der flachen Seite der Klinge schlug er auf den Tisch, woraufhin alle Anwesenden förmlich zusammenzuckten. Die Worte, die er daraufhin aussprach, klangen wie ein dunkles Donnergrollen, und einer seiner Begleiter übersetzte sie ins Niederdeutsche: »Glaubt Ihr Kölner Kleinkrämer vielleicht, dass Ihr auf diese Weise Bundesgenossen für Euren Krieg gewinnt? Wenn nur einer von Euch Schwachköpfen es wagt, Frederik von Blekinge anzufassen, dann haue ich ihm seine weiche Rübe von den Schultern – und es wäre noch nicht mal schade darum!«
    Inzwischen versuchten sich allerdings die Wachen durch die Menge der Anwesenden zu drängeln, die aber nur zögernd eine Gasse für sie bildeten, weshalb die Männer zunehmend Gewalt einsetzten. Schreie waren zu hören. Gustav Bjarnessons heisere, zornige Stimme drang durch den Lärm hindurch, und Bürgermeister Mathias Overstolz versuchte vergeblich, sich irgendwie Gehör zu verschaffen. Von seinem gleichberechtigten Amtsbruder Heinrich von der Ehren war ohnehin nichts mehr zu sehen, auf seinem Stuhl saß er schon eine ganze Weile nicht mehr.
    Einige der drängelnden Wächter lieferten sich ein Handgemenge mit Ratsgesandten kleinerer Städte, die nicht das Privileg eines Sitzplatzes an der Tafel genossen hatten. Dabei war es gar nicht die Absicht dieser Ratsgesandten, Frederik von Blekinge vor dem Zugriff der Wächter zu bewahren. Sie konnten in der Menschenmenge nur nicht ausweichen, so gerne sie das vermutlich auch getan hätten.
    Der Lärm war jetzt ohrenbetäubend. Man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen.
    Da sprang Frederik auf den Tisch und machte drei Schritte über die lange Tafel.
    »Mörder!«, rief ihm Herward von Ranneberg aus vollem Hals zu. Dessen Stimme überschlug sich, sodass sie trotz des Lärms gut zu hören war.
    Frederik achtete nicht weiter auf ihn, sondern zog stattdessen sein Schwert.
    In diesem Moment kehrte eine geradezu unheimliche Ruhe in den Langen Saal ein. Es war so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. »Ich bin unschuldig, und das wird sich auch erweisen«, erklärte Frederik. »Nichts hätte mir ferner gelegen, als den Mann umzubringen, auf dessen diplomatische Mission doch meine ganze Familie all ihre Hoffnungen gesetzt hat. Denn die einzige Möglichkeit für uns, unseren angestammten Besitz zurückzubekommen, ist ein Krieg gegen Dänemark. Und wer glaubt, dass Waldemar seinen Feinden irgendwelche Angebote von der Art machen würde, wie es Herward von Ranneberg soeben behauptete, dem kann ich nur sagen, dass er Waldemar offenbar nicht kennt.« Frederik machte eine kurze Pause; selbst Herward schwieg jetzt. Dann fuhr Frederik fort: »Ich will aber nicht, dass hier jemand meinetwegen zu Schaden kommt. Daher werde ich mich ohne Widerstand von den Stadtwachen abführen lassen.« Mit diesen Worten ließ Frederik sein Schwert auf die Tafel fallen, krachend schlug das Eisen der Klinge dort auf. »Ich werde nicht versuchen zu fliehen«, sprach Frederik weiter und legte auch den Parierdolch sowie einen weiteren Dolch, den er im Schaft seines rechten Stiefels trug, auf die Tafel.
    Dann deutete er auf Johanna. »Meine Waffen mögen in der Aufbewahrung dieser tapferen Jungfrau bleiben, die gerade so mutig für mich eingetreten ist, bis sich alles aufgeklärt hat. Ich wette, der städtische Kerker hat wenigstens feste Wände, bei denen es nicht durch alle möglichen Astlöcher zieht, wie es bei der eigentlich für Pferde gedachten Herberge ist, in der wir zurzeit zu nächtigen gezwungen sind. Oder habt Ihr selbst im Kerker schon Ratsgesandte aus irgendwelchen fernen Hansestädten einquartiert, die das Pech hatten, erst spät nach Köln zu gelangen, Bürgermeister?«
    Damit hatte Frederik Bürgermeister Overstolz direkt angesprochen, dessen Gesicht von einer dunklen Röte überzogen wurde, die sich noch intensivierte, als hier und da Gelächter aufkam.
    »Wenn Ihr jetzt die Güte hättet, etwas Platz zu machen, so kann ich mich von den Wachen festnehmen lassen«, wandte sich Frederik an jene Gesandte, die sich zwischen ihm und den bewaffneten Wächtern drängten. »Die andere Möglichkeit ist, Ihr lasst die Wache hier hinaufkommen – aber dann werdet Ihr noch mehr Stiefelabdrücke auf der Tafel Eures erhabenen Saales haben als jetzt schon. Und ich weiß nicht, ob das

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