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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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die Gründe dafür ewig im Dunkeln bleiben, jedenfalls war ich immer sehr ambitioniert, in den richtigen Kreisen zu Hause zu sein. Damit habe ich meinem José das Leben so nach und nach von Herzen vermiest. Erst als er die Scheidung eingereicht hat, ist mir ein Lichtlein aufgegangen. Na, kurz und gut, wir konnten es kitten. Und ich spiele die Donna Teresa nur noch zum Spaß.«
    Sie sah versonnen in die Kerzen und erzählte dann: »Alsich José kennengelernt habe, waren meine Eltern entsetzt. Ich, eine Tochter aus gehobenem Hause, mit einem schlichten Arbeiter, und dazu noch einem Ausländer. Armer José, was er alles zu hören bekam! Nein, nein, nicht direkt, aber immer solche kleinen Spitzen. Du weißt schon, wie die Gutbürgerlichen mit Außenseitern umspringen, die sich in ihre Kreise wagen. Aber ich war – und bin es übrigens auch heute noch – der festen Überzeugung, dass José die Erfüllung aller meiner Träume darstellte. Ich verließ also mit fliegenden Fahnen das gesittete elterliche Heim und begann meine Lehre. Wir lebten ziemlich dürftig, denn auch José lernte noch weiter. Er ist ehrgeizig, er hat seinen Meister gemacht, hat sich im Abendstudium zum Techniker qualifiziert und ist inzwischen Betriebsleiter. Keiner würde ihn jetzt mehr einen Gastarbeiter nennen. Aber ich habe nach einiger Zeit angefangen, darunter zu leiden, weißt du? Die anderen haben mich immer schief angesehen und dumme Bemerkungen gemacht. Wir sind umgezogen, hierhin, ich habe mit einem Lädchen angefangen. Es lief von Anfang an gut, wahrscheinlich habe ich eine geschickte Hand für teuren Schnickschnack. Ich wurde in bestimmten Kreisen als Tipp gehandelt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, ich wurde größenwahnsinnig und habe versucht, in diesen Kreisen Fuß zu fassen. Den Rest – siehe oben. Josés Scheidungswunsch hat mir sozusagen die blasierte Maske vom Gesicht gewischt. Trotz aller Probleme, das hat bei mir einen enormen Erkenntnisschub ausgelöst, und seitdem entdecke ich sehr viel leichter als früher den wahren Menschen hinter den Masken.«
    »Ein interessanter Aspekt. Du beurteilst die Menschen wohl gerne danach, welche Masken sie tragen, nicht?«
    »Ja. Und auch, aus welchem Grund sie sie aufsetzen.«
    »Trage ich auch eine?«
    »Natürlich. Du trägst eine, die dir nicht steht. Aber du trägstsie nicht wie ich aus Eitelkeit, sondern aus Angst vor Verletzungen. Eher eine Fechtmaske, nicht wahr?«
    Mir fiel Wulfs Kendo-Rüstung ein, zu der auch ein Gesichtsschutz gehörte. Dünne, glänzende Stahlstäbe, ein kaltes, hartes Metallgitter, hinter denen das Gesicht unpersönlich wurde. Ein erschreckendes Bild. Ich senkte betroffen den Kopf.
    »Lindis, ich wollte dich nicht beleidigen.«
    »Hast du nicht. Du hast eine unangenehme Art, den Nagel auf den Kopf zu treffen. Es ist nur leider so, dass ich keine andere Maske finde, die mich schützen könnte. Ich bin nicht so flexibel wie du.«
    »Sprechen wir nicht von dir, Lindis. Manchmal ist es leichter, wenn man bei anderen die Maske erkennt, bevor man sich an die eigene macht. Denk mal an deine Bekannten und Kollegen.«
    Ich schnaubte leicht, weil mir als Erstes Karola einfiel.
    »Die Muttermaske von Karola ist ziemlich verrutscht. Und jetzt hat sie sich auch noch die verführerische aufgesetzt, um sich meinen – nun ja – gelegentlichen Freund Wulf zu kapern. Passt auch nicht.«
    »Vermutlich verbirgt sich ein ziemlich lebensfeindliches Geschöpf dahinter, das an nichts richtig Freude hat, aber sie allen missgönnt, die das Leben lockerer nehmen.«
    »Mein erster Eindruck, als ich sie kennenlernte, war der einer Fanatikerin.«
    »Lass dich nie von deinem ersten Eindruck abbringen. Er ist meist der beste, weil unbeeinflusst von Ereignissen.«
    »Na, Teresa, wenn ich den ersten Eindruck von dir gespeichert halte, dann kommt hier doch gleich der schnaubende Stier angestampft.«
    Sie hob das Glas mit dem roten Wein und salutierte mit Grandezza.
    »Aber deine Sichtweise birgt Möglichkeiten. Susi, unsere Nachmittagssekretärin, trägt zum Beispiel eine Maske fröhlicher Kindlichkeit, um ihren Kummer zu verstecken. Wulf die glatte des Managers und eine des Kendo-Kämpfers, ich vermute, um seinen gnadenlosen Egoismus nicht so deutlich werden zu lassen.« Ich atmete tief durch und setzte mich etwas aufrechter hin. »Ein amüsantes Spiel, in der Tat.«
    »Spiel es weiter. Vielleicht findest du das Gesicht hinter deiner Maske schließlich auch, dann kannst du sie ablegen. Du

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