Die keltische Schwester
beeindruckt. Ich sah sie noch nie so animiert wie heute Vormittag.«
Karola war beim Friseur gewesen und hatte jetzt ein paar blonde Strähnchen im Haar. Ein paar Schminktipps hatte sie bei der Gelegenheit auch erhalten.
»Hier sind noch Tische frei, nehmen wir den am Fenster, Lindis.«
Ich setzte mich ihm gegenüber nieder und wickelte die Bestecke aus.
»Was ist eigentlich zwischen dir und Karola vorgefallen? Du tust so herablassend, wenn du von ihr sprichst. Ward ihr nicht mal befreundet?«
»Befreundet ist vielleicht zu viel gesagt.«
»Sie hat es aber so gesehen. Und sie leidet sehr darunter, dass du so kalt zu ihr bist.«
»Tut sie das? Arme Karola! Ich hoffe, du konntest ihr menschliche Wärme bieten.«
»Du bist wirklich ein Biest, Lindis. Du weißt doch, dass sie eine ganze Menge durchzumachen hatte. Sie hat kein leichtes Leben. Der Vater ihrer Tochter hat sie sitzenlassen, sie findet keine vertrauenswürdige Kinderbetreuung und hat kaum Zeit, sich mal mit Freunden zu treffen.«
»Mir kommen gleich die Tränen, Wulf.«
»Was ist los mit dir? Muss sie jetzt auch damit rechnen, dass sie in den nächsten Tagen ihren Job verliert?«
»Was für ein Quatsch! Karola und ich haben eine kleine Meinungsverschiedenheitüber das Thema Kinder gehabt. Sie hat mir einmal zu oft gesagt, dass es auch meine hehre Aufgabe sei, meinen Muttertrieb auszuleben.«
Wulf grinste mich an.
»Frauen!«
»Eben. Ich meine …« Mir kam eine Idee, wie ich ihn leicht schockieren konnte, und schlug die Augen verführerisch auf. »Ich könnte natürlich wieder ihre allerbeste Freundin werden, wenn ich endlich schwanger würde, liebster Wulf!«
Die Belohnung war ein entsetztes Gesicht und eine Kartoffel, die von der Gabel aufspritzend in den Pudding stürzte.
»Das meinst du nicht ernst.«
»Aber sicher doch. Magst du keine eigenen Kinder? Hast du noch nie daran gedacht, was das für eine Erfüllung deines Lebens sein könnte. Endlich Vater sein? Dieses süße junge Leben zu behüten und wachsen zu sehen?«
»Lindis, du bist ein grässliches Lästermaul. Okay, ich verstehe schon, was dich genervt hat. Ich bin auch nicht besonders kinderlieb, und dieses Mädchen erobert nicht gerade alle Herzen im Sturm. Der Vater war wohl ein ziemliches Ekel. Vermutlich ist sie erblich belastet.«
Ich ließ ihn in dem Glauben.
Als wir zurück zu unseren Arbeitsplätzen gingen, fragte er mich dann nach langer Zeit mal wieder: »Und, was machst du am nächsten Wochenende, Lindis? Ich habe weiter nichts vor und würde mich freuen, wenn wir mal wieder gemeinsam etwas unternehmen könnten. Oder vielleicht auch einen ganz ruhigen Tag miteinander verbringen …«
»Tut mir leid! Am nächsten Wochenende steigt bei uns eine mittelschwere Orgie!«
»Wie das?«
»Beni wird sechzehn. Aber ich lade dich herzlich in ihrem Namen dazu ein.«
»Himmel hilf, nicht noch ein Kindergeburtstag!«
Ich musste kichern und lenkte dann ein: »Vielleicht übernächsten Sonntag. Mal sehen.«
Das Projekt Ferienpark lief derzeit in ruhigem Fahrwasser. Die Planungsarbeiten waren von unserer Seite weitgehend abgeschlossen, die wichtigsten Subunternehmer ausgewählt und angefragt. Die Vergabeverhandlungen liefen an. Das Büro in Plouescat bekam gerade ein paar Anschlüsse gelegt, so dass wir auch mit unserer Büroausrüstung vor Ort arbeiten konnten. Angeblich wurde bereits die Baustellenzufahrt eingerichtet, auf der die schweren Maschinen fahren sollten. Mit Dr. Koenig hatte ich vereinbart, meine beiden anderen Projekte, das Seniorenheim und die Restaurierung eines Lustschlösschens im Osten, einem jungen Mitarbeiter aus der Bauabteilung zu übergeben. Ihn arbeitete ich also in die Netzplan-Technik ein und freute mich, einen Menschen von guter analytischer Begabung gefunden zu haben. Peter hatte die Grundprinzipien schnell begriffen, und ich hatte die Hoffnung, ihm bereits im Laufe der nächsten vier Wochen die wesentlichen Arbeiten anvertrauen zu können.
Knoten 5. und 12. Faden
Teresas Angebot, in dieser Woche noch einmal abends vorbeizuschauen, konnte ich leider nicht annehmen, denn die wenige Zeit, die übrig blieb, hatte mich Beni mit den Vorbereitungen zu ihrer Feier eingespannt. Am Donnerstag war der eigentliche Feiertag, der Samstag war jedoch für die Party geplant. Das hinderte natürlich keinen ihrer Freunde, bereits am Donnerstag mit seinen Glückwünschen bei uns aufzutauchen. Ich hattemir wohlweislich den halben Tag freigenommen, um Beni bei der
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