Die keltische Schwester
fährst doch in wenigen Wochen wieder nach Frankreich. Da triffst du dich mit deinem Menhir. Kann sein, dass der dir dabei hilft.«
»Wenn er noch steht. Du glaubst daran, nicht wahr?«
»Na ja, er hat dir ja schon Zugang zu interessanten Träumen verschafft, oder?«
Ich sah den alten Stein wieder vor mir, im Sonnenschein, einen langen Schatten werfend. Und mehr zu mir selbst murmelte ich: »Was trägt Robert für eine Maske?«
»Soweit ich weiß, gehört er zu den ganz wenigen Menschen, die gar keine tragen.«
Verblüfft sah ich sie an.
»Kennst du Robert?«
»Nun, kennen …?«
»Sag mal, was weißt du eigentlich nicht von mir, Teresa?«
Ich klang entsetzt, ich war es auch.
»Ach, Lindis! Ich muss dir grässlich vorkommen. Aber das ist wirklich reiner Zufall. Beni erwähnte seinen Besuch bei euch, daher weiß ich es. Robert Caspary, nun, wir sind sozusagen zusammen aufgewachsen. Unsere Eltern waren Nachbarn, früher. Ich bin drei Jahre älter als er und für ihn wahrscheinlich lange eine rechte Plage gewesen.«
Seltsam, obwohl die letzte Begegnung so friedlich verlaufen war, gab es mir doch wieder einen Stich, von ihm zu hören. Erlöste einen Anfall drängender Neugier aus. Teresa schien das zu merken und musterte mich interessiert.
»Euch beide verbindet etwas, habe ich den Eindruck.«
»Es verband uns mal etwas.«
»Mh. Ich habe ihn aus den Augen verloren, als er sich damals entschlossen hatte, in die Fremdenlegion zu gehen. Das war etwas, das ich nie verstehen konnte. Wir sind uns erst wieder über den Weg gelaufen, als er schon an der Universität war. Vor etwa sieben oder acht Jahren.«
Das Licht im Wohnzimmer war gedämpft, auf dem Tisch flackerten zwei Kerzen und ließen den Wein in den Gläsern aufglühen. Ein Hauch von warmem, süßwürzigem Parfüm hing in der Luft. Leise Harfenmusik schwebte aus den versteckten Lautsprechern. Mich packte eine unsägliche Sehnsucht.
»Lindis?«
»Ja, Teresa?«
»Du liebst ihn.«
»Falscher Tempus. Ich habe ihn geliebt.«
»Als ich ihn wieder traf, war er mit einer Frau namens Birgit zusammen.«
»Meine beste Freundin, vormals.«
»Sie hat ihn verlassen. Sehr plötzlich und sehr unfein. Es gab einen Skandal, aber das ist nicht wichtig, es sei denn, es gibt dir die Genugtuung, dass du gerächt bist.«
»Nein, die brauche ich nicht. Nicht mehr. Er ist mir gleichgültig.«
Die Kerzenflammen spiegelten sich in Teresas Augen, als sie mich ansah.
Sie wusste, dass ich gelogen hatte.
Leise murmelte sie: »Robert hat einen schwierigen Weg gewählt. Aber er hat ihn bewältigt. Er gehörte auch zu den Suchern. Wie du, Lindis. Die Fäden eures Schicksals sind miteinander verbunden. Vor langer Zeit schon einmal und nunwieder. Wehr dich nicht dagegen, dann wirst du in diesem Leben das Glück finden, das du einst verloren hast.«
Sie schwankte leicht hin und her und schien in eine halbe Bewusstlosigkeit zu fallen. Ich stand auf und nahm sie bei den Schultern.
»Um Himmels willen, Teresa, was ist mit dir?«
Sie schüttelte sich.
»Was …?«
»Du hast düstere Prophezeiungen ausgestoßen. Sag mal, spielst du jetzt die Wahrsagerin, oder was?«
Mit einem glucksenden Lachen setzte sie sich auf, griff zu ihrem Glas und trank durstig.
»Hast wieder gewonnen! Ja, Lindis, ich habe dir was vorgespielt. Trotzdem, so schlecht scheint der Rat doch gar nicht zu sein. Aber jetzt grübele lieber nicht darüber nach. Was kommen wird, kommt.«
»Du bist echt gut, Teresa. Zumindest sind Unterhaltungen mit dir nicht langweilig.«
»Ja, nicht? Mich überraschen sie auch immer wieder.«
Diese plötzliche Wandlung zur nüchternen Selbstironie verdutzte mich kurz, aber dann musste ich doch lachen. Vielleicht etwas zu laut und zu lange.
Danach widmeten wir uns den weltbewegenden Fragen der Sommermode.
11. Faden, 9. Knoten
Drei Tage später träumte ich wieder. Allerdings nichts Beklemmendes, noch nicht einmal etwas besonders Bedeutendes. Eher eine heitere, nebensächliche Szene aus Danus Leben, dennoch führte sie zu einer folgenschweren Handlung meinerseits.
Ich lag im Bett und dämmerte allmählich weg, als vor meinen Augen wieder das Bild des grauen Menhirs entstand. Aber mein Blick blieb nicht an ihm hängen, sondern wanderte weiter zu dem kleinen Feldsteinhaus auf der Landzunge und von dort die Felsen hinunter zu dem schmalen Sandstreifen der Bucht. Dort saß Danu mit einem kleinen Mädchen, das ihr aufmerksam zuzuhören schien. Arian, Rigans Tochter, verfolgte die
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