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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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zitternden Händen und rollte auf dem weichen Teppich davon. Ich musste mich an der Wand abstützen, sonst wäre ich in die Knie gesunken. Vor meinen Augen stand nur noch ein flimmernder Wirbel. Rotes Blut auf einem weißen Untergrund. Und mit einem Rauschen ihrer Flügel erhob sich die schwarze Krähe.
    Dann war es vorbei. Ich konnte wieder klar sehen und normal atmen. Aber ich hielt es keine Minute länger hier aus. Wulf wollte protestieren, doch ich hörte einfach nicht hin und verließ hustend das Haus. Es waren nur die Traumfetzen der vergangenen Nacht, die mich wieder eingeholt hatten, versuchte ich mich zu beruhigen. Aber das Gefühl der Panik blieb, auch als ich in die Wohnung kam.
    Auf dem Anrufbeantworter blinkte das Lämpchen.
    »Hi, ältere Schwester! Ich bleib heute trotzdem bei Ines und Ralf. Ich weiß, dass du das nicht willst, aber es ist nun mal so ausgemacht. Sei nicht wieder stinkig!«
    Ich war aber wütend.
    Ich rief bei Ines an und erwischte Beni eben noch, bevor sie weggehen wollte. Leider war ich sehr hässlich mit ihr, undsie beschimpfte mich, eine altmodische, dämliche Tucke zu sein. Meine Kopfschmerzen sprengten mir inzwischen beinahe den Schädel, darum empfahl ich ihr, so schnell wie möglich wieder zu unseren Eltern abzudriften. Bei mir sei kein Platz mehr für sie.

Knoten 1. und 11. Faden
    Ich warf den Hörer hin und bemühte mich, das Zittern zu unterdrücken, das mich befallen hatte. Kalte Schauder jagten durch meinen Körper, und mir war schwindelig. Ich hatte weder Hunger noch Durst, ich wollte mich einfach nur verkriechen. Weil ich so fror, zog ich mir einen dicken Jogginganzug von Beni an, machte alle Lichter aus, legte mich ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Mir wurde heiß, und doch klapperten meine Zähne vor Kälte. Mein Hals fühlte sich an, als sei er innen roh und zerkratzt, meine Augen brannten trocken, und ich bekam keine Luft durch die Nase.
    Die Schmerzen hinter meiner Stirn explodierten in roten und schwarzen Funken, zwischen denen weiße Blitze zuckten. Das Weiß wurde greller und greller, ich konnte ihm nicht entfliehen, konnte die Augen nicht schließen. Das Weiß gehörte zu mir, es brannte auf meinem Körper, es hing an mir herunter, umhüllte mich, schmiegte sich an mich, ich wurde es nicht los. Ich sah hinunter an mir, erkannte das weiße Gewand und die roten Flecken darauf. Rotes Blut, frisch, noch feucht, befleckte mein Kleid, und in Panik lief ich davon. Ich lief, barfuß, ohne die spitzen Steine unter meinen Füßen zu spüren, ohne zu bemerken, wie das harte Gras, die scharfen Muschelschalen meine Haut zerschnitten. Ich lief unter der brennenden Sonne weiter und weiter, bis ich am Strand atemlos zusammensank.Heiß war der Sand, verdorrt das raue Gras, Staub mischte sich in meinen Atem, und ich musste mit trockenem Hals husten und husten, bis ich erschöpft nach Luft rang. Hilflos, kraftlos und in dem namenlosen Schrecken gefangen lag ich auf der Erde. Und die schwarze Krähe kreiste mit einem höhnischen Krächzen über mir. Enger und enger wurden ihre Kreise, näher kam sie, ihr scharfer Schnabel bereit, mir das Fleisch von den Knochen zu hacken. Näher kam sie, so dass ich das Rauschen ihrer Flügel hören konnte. Schwarz wurde es um mich, schwärzer als die Federn der Krähe.
    Doch als ich in der tiefsten Dunkelheit angelangt war, konnte ich mich plötzlich wieder bewegen. Ich konnte auch ganz allmählich wieder etwas sehen, zunächst wie in einem grauen Schleier, wie in der anbrechenden Dämmerung, dann klarer und klarer. Ich fühlte keinen Schmerz mehr, nicht mehr den Boden unter mir, nicht mehr das Gewand an mir. Ich hatte mich erhoben und sah die staubiggelbe Wiese, den grauen Stein unter mir stehen. Die Krähe aber flog neben mir und lockte mich höher und höher.
    Unter mir erstreckte sich das Land, trocken, einsam und öde. Verbrannt waren die Weiden, dürr und gelb das Gras. Büsche und Bäume hatten ihr verdorrtes Laub abgeworfen. Dann bedeckte Asche, weißlich, dazwischen verkohltes Holz, den Boden über Meilen und Meilen hin. Eine Feuersbrunst hatte das Geäst der Sträucher geschwärzt. Kein Leben, kein Grün, keinen Tropfen Feuchtigkeit gab es in dieser verlassenen Einöde. Ich eilte dahin unter einem glastigen Himmel, einer weißglühenden Sonne, hungernd und dürstend, doch ohne Hoffnung.
    Die Asche wandelte sich in endlose grauschwarze Straßen und zubetonierte Flächen. Die Wunden, die die erbarmungslose Hitze in die Erdkruste

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