Die Ketzerbraut. Roman
seinen Sohn an, als habe er einen Schwachsinnigen vor sich. »Ich habe doch geschrieben, dass ich den Handel übernehme!«
Ernst bemerkte einen verschlagenen Ausdruck auf dem Gesicht seines Vaters und wurde misstrauisch. »Da Veva und ich nach München zurückgekehrt sind, wird dies nicht nötig sein. Daher wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr mir jetzt die Bücher gebt.«
Sofort brüllte Eustachius Rickinger los: »Ich denke nicht daran!«
»Es ist mein Recht, sie zu fordern!«, antwortete Ernst kaum leiser.
Das Gesicht seines Vaters lief dunkel an. »Dazu hast du überhaupt kein Recht! Ich bin der Herr in diesem Haus, und wenn ich dir etwas befehle, hast du zu gehorchen!«
»Verzeiht, Herr Vater. Aber nach dem Tod meines Schwiegervaters bin ich das Oberhaupt meines eigenen Hausstandes, und es ist meine Pflicht, Leiberts Gewerbe weiterzuführen und das Erbe meiner Frau zu wahren. Wollt Ihr mir nun die Bücher geben, oder muss ich den Rat anrufen, damit er Euch dazu zwingt?«
Der alte Rickinger drohte Ernst mit der Faust. »Hinaus! Und komme mir nie mehr über die Schwelle!«
»Gut, ich werde gehen. Dafür aber werden heute noch die Stadtknechte erscheinen und Leiberts Rechnungsbücher von Euch fordern.« Mit diesen Worten drehte Ernst sich um und verließ das Haus.
Draußen traf er auf Lina. Die alte Frau hatte ihr Bündel geschultert und war gerade dabei, Hasso einen Strick um den Hals zu binden. Da ihre Hände immer noch zitterten und steif vor Kälte waren, ging ihr dies nicht so leicht von der Hand. Ernst half ihr und nahm ihr auch das Bündel ab. Es war beschämend, fand er, wie wenig die Magd nach so vielen Jahren treuer Dienste besaß.
12.
A ls Benedikt Haselegner in Innsbruck von Bartholomäus Leiberts Ableben erfuhr, atmete er erst einmal auf. Damit hatte sich der gewichtigste Grund verflüchtigt, der seiner Heimkehr nach München im Weg gestanden hatte. Zwar wusste er von Freunden, dass Vevas Vater keine Anklage gegen ihn erhoben hatte und er deswegen seine Heimatstadt gar nicht hätte verlassen müssen. Aber es war nicht nur der Messerstich gegen Leiberts Knecht gewesen, der ihn in die Flucht getrieben hatte. Sonderbarerweise war es für ihn auch immer mehr zum Problem geworden, dem Mann gegenübertreten zu müssen, dessen Sohn auf sein Betreiben hin ermordet worden war.
Inzwischen aber hatte er diese lächerlichen Anfälle von schlechtem Gewissen überwunden und beschloss, die Sache voranzutreiben. Dazu bot sein Schwiegervater ihm die beste Möglichkeit. Als er Antscheller in seinem Kontor aufsuchte, war dieser gerade dabei, einen Brief an Ernst Rickinger zu schreiben. Er war unsicher, wie er sich dem Nachfolger seines alten Geschäftspartners gegenüber verhalten sollte, und atmete auf, als er Haselegner eintreten sah. »Gut, dass du kommst, Benedikt. Was hältst du von dem jungen Rickinger? Früher soll er ja ein rechter Treibauf gewesen sein, doch seit seiner Heirat hört man nichts Schlechtes mehr über ihn.«
»Ich habe München bereits vor seiner Heirat verlassen und kann daher nicht sagen, ob er sich inzwischen geändert hat. Damals hätte ich ihm keinen schimmligen Groschen anvertraut«, erklärte Haselegner mit einer verächtlichen Geste.
»Es heißt, sein Vater sei stark in die Belange des Hauses Leibert verwickelt. Der alte Rickinger ist zwar nicht der angenehmste Geschäftspartner, aber er versteht etwas vom Geschäft. Daher sollten wir unsere Verbindung zu Leiberts Schwiegersohn nicht ohne Not beenden.«
Während Friedrich Antscheller seine Überlegungen aussprach, ärgerte Haselegner sich insgeheim, dass sein Schwiegervater ihn wie einen lumpigen Kommis behandelte und nicht wie einen gleichwertigen Kompagnon. Wenn er das ändern wollte, musste er nach München zurückkehren. Vorher aber würde er noch die beiden letzten Hindernisse beseitigen, die seinen Plänen im Wege standen. »Ladet Ernst Rickinger doch ein, hierherzukommen. Dann könnt Ihr Euch selbst ein Bild von ihm machen«, schlug er vor.
Antscheller wiegte den Kopf, nickte dann aber. »Das ist ein guter Gedanke! Ich werde Dringlichkeit vorschützen. Dann sehen wir auch, ob der junge Mann trotz des winterlichen Wetters reist oder ob er wartet, bis es getaut hat. Einen guten Handelsmann kümmert es nicht, dass es stürmt oder schneit, wenn er nur ein gutes Geschäft abschließen kann.«
»Tut das, Herr Schwiegervater. Danach wisst Ihr gewiss, was von Ernst Rickinger zu halten ist.«
Haselegner rieb sich insgeheim die
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