Die Ketzerbraut. Roman
entlang zur Tür. Kurz überlegte sie, ob sie sich nicht doch von ihrem Vater verabschieden sollte. Doch der hatte ihr deutlich erklärt, dass sie umgehend aufbrechen müsse. Außerdem war sie gekränkt, weil er ihren Worten keinen Glauben schenkte.
11.
L eibert stand oben am Fenster und sah zu, wie seine Tochter und der Knecht das Anwesen verließen. Dabei empfand er nichts als Ärger, weil Veva zu Fuß ging wie eine einfache Bäuerin. Sie hätte auf einem Maultier reiten oder eine Sänfte mieten sollen. So aber würden die Nachbarn annehmen, es ginge ihm finanziell nicht gut. Als seine Tochter um die Ecke bog, schloss er das Fenster und wandte sich seinem Schreibtisch zu. Aber er setzte sich nicht, sondern verließ nach kurzem Zögern den Raum und stieg die Treppe hinab. Unten ließ er sich von dem zweiten Hausknecht in den Mantel helfen, setzte seine Kappe auf und trat ins Freie.
Es fiel ihm schon schwer, die Straße entlangzugehen, und nach kurzer Zeit schnaufte er wie ein abgetriebenes Ross. Wut auf seine zunehmende Schwäche überkam ihn. Ausgerechnet in diesen Tagen, in denen er stark sein musste, versagte sein Leib ihm den Dienst. Noch vor wenigen Jahren war er kreuz und quer durch die ganze Stadt gelaufen, ohne die geringste Ermattung zu spüren. Nun aber vermochte er es kaum, die kurze Strecke zum Haus seines Freundes Rickinger zurückzulegen.
Daher war er froh, als er an seinem Ziel angelangt war und ihn ein Knecht einließ. Ein zur Begrüßung gereichter Krug Bier weckte seine Lebensgeister, und so vermochte er kurz darauf Eustachius Rickingers Händedruck beinahe ebenso fest zu erwidern.
»Bist du wieder einmal aus deinen vier Wänden herausgekommen, Bartholomäus? Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht. Immerhin hast du einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen müssen. Lass dir sagen, wie tief ich mit dir fühle und um deinen Bartl trauere. Mir tut es auch um die arme Veva leid. Es muss schrecklich für sie gewesen sein.«
»Weiber halten viel aus«, antwortete Leibert mit einer wegwerfenden Handbewegung und ließ sich von seinem Gastgeber in die gute Stube führen.
»Lina, bring Wein!«, rief Rickinger der alten Magd zu. Dann nahm er Platz und sah seinen alten Freund neugierig an. »Ich habe schon Schlimmstes befürchtet. Immerhin bist du die letzten beiden Male nicht zum Stammtisch gekommen, und das hat es seit den Zeiten, in denen du noch auf Reisen gegangen bist, nicht mehr gegeben.«
»Ein wenig Kraft ist schon noch in meinen Knochen«, antwortete Leiber, obwohl er eher das Gegenteil empfand.
Er wartete, bis Lina ihnen die Weinpokale hingestellt hatte, und stieß mit Rickinger an. »Auf dein Wohl und auf gute Geschäfte!«
»Diesen Wunsch gebe ich gerne zurück. Doch jetzt heraus mit der Sprache! Du bist doch sicher nicht gekommen, um mit mir Wein zu trinken.«
Leibert atmete tief durch und hob in einer unbestimmten Geste die Hände. »Ich wollte dich fragen, ob du mir helfen kannst.«
»Wenn es in meiner Macht steht, jederzeit. Worum geht es?« Rickinger fragte sich, ob sein Freund geschäftlichen Schaden erlitten hatte. Doch davon hätte er etwas gehört haben müssen. Also ging es wohl doch um etwas anderes.
»Nachdem mein Sohn tot ist, brauche ich jemanden, der mich unterstützt, bis Vevas Ehemann dies übernehmen kann. Daher wäre es mir recht, wenn dein Ernst drei- oder viermal die Woche einen halben Tag zu mir kommen und Briefe und dergleichen schreiben könnte. Mit meinen knotigen Händen tu ich mich schwer.« Leibert hielt dem Freund die verkrümmten Finger entgegen, die kaum noch in der Lage waren, eine Feder zu führen.
Die Bitte kam für Rickinger so überraschend, dass er einige Augenblicke überlegen musste, bevor er Antwort gab. »Nun, ich kann dir den Ernst schicken, wenn er wieder zurück ist. Aber warum nimmst du nicht die Veva? Die hat dir doch bisher geholfen.«
»Die habe ich nach Pewing auf den Meierhof geschickt, den Prielmayr mir verpfändet hat. Dort soll sie die nächsten Wochen bleiben«, sagte Leibert, ohne eine Gefühlsregung zu zeigen.
Rickinger nickte unbewusst. »Das ist wohl das Beste für sie. Zumindest hat sie dort ihre Ruhe vor dem Gerede, das um sie entstanden ist. Also deswegen soll Ernst dir helfen! Mir ist das sogar recht, denn damit hat er weniger Zeit, ins Wirtshaus zu gehen oder mit den Nachbarsmägden zu schäkern.«
»Dann ist es abgemacht!« Leibert streckte seinem Freund die Hand hin, die dieser zufrieden ergriff.
»So soll es
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