Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
er gleichzeitig auch alle Juden aus öffentlichen Ämtern verjagen sollte, die sie bei uns stets innehaben durften. Der gute Raimond hat natürlich zugestimmt, denn er will keinen Ärger bekommen, aber getan hat er weiterhin nichts. «
Sie nippte an dem Becher und zerrieb etwas Brot zwischen ihren Fingern, an denen Adelind noch zwei Goldringe entdeckte.
» Sein höchster Lehensherr ist Pedro von Aragon. Dieser hat sich vom Papst selbst krönen lassen und ihm geschworen, den christlichen Glauben mit aller Kraft zu verteidigen. Das mag ein wenig beunruhigend klingen, obwohl er sich bisher darauf beschränkte, gegen muslimische Eindringlinge auf einst christlichem Territorium vorzugehen. Ich habe daher den Bau einer Festung vorgeschlagen, wohin wir uns im Ernstfall zurückziehen könnten. «
» Wäre dies in der Nähe von Pàmias? « , mischte Olivette sich plötzlich ins Gespräch. Ihre Stimme klang wie gewohnt heiser, als presse sie Worte mühsam aus ihrer Kehle, aber sie sah ihrer Mutter mutig ins Gesicht. » Ich mache mir Sorgen um Euch. Wenn es zu einem Angriff kommt, so wäret Ihr doch eine der Ersten, derer man habhaft werden will. «
Esclarmonde ließ ihre schmale Hand abwehrend durch die Luft gleiten.
» Noch ist von keinem Angriff die Rede, mein Kind. Und ich bin die Schwester des Herrn dieser Gegend. Niemand wird so einfach wagen, mir ein Haar zu krümmen. Ebenso wie der Vescomte de Trencavel eine schützende Hand über dieses Haus halten wird, da meine Tochter sich hier aufhält. «
Adelind wärmte sich ein wenig an der Zuversicht, die diese edle Dame an ihrer Seite ausstrahlte.
» Es handelt sich um eine kleine Burg am Fuße der Pyrenäen, nicht weit von Mirapeis « , erzählte Esclarmonde nun. » Dort lebt bereits eine Gemeinschaft von Perfachas. Ich habe dem Kastellan, Ramon de Pereille, geraten, sie zu einer Festung auszubauen, denn aufgrund ihrer erhöhten Lage ist sie dazu gut geeignet. Im Ernstfall sollen wir dort eine Möglichkeit haben, uns zu verstecken, bis die Lage sich wieder entspannt hat. «
Sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Weinbecher. Adelind hatte selbst nur kurz an dem Getränk genippt, doch vermeinte sie, bereits jene entspannende Schwerelosigkeit zu verspüren, die ein leichter Rausch auslöste. Sie war Wein kaum noch gewöhnt, da er während der drei jährlichen Fastenzeiten verboten war. Gleichzeitig überlegte sie, wie sämtliche Perfachs und auch treue Credentes, die es bereits im Languedoc geben musste, in eine einzige Festung passen sollten, mochte sie auch noch so groß sein. Vermutlich wäre es nur das Glück einiger Privilegierter, rechtzeitig gewarnt und dort aufgenommen zu werden. Es beschämte sie fast, wie erleichtert sie war, Esclarmondes Tochter in dieser domus zu wissen, denn sie würden schon aus diesem Grund eine der ersten Gemeinschaften sein, die man im Ernstfall dort in Sicherheit brachte.
Die Gräfin verzehrte indessen mit durchaus zufriedener Miene ihre Forelle. Fleischverzicht musste keine Entbehrung bedeuten, wie Adelind inzwischen erfahren hatte, da es sich auch von Fisch und Gemüse gut leben ließ, sobald sie derart köstlich gewürzt waren wie nun zu Ehren der Gräfin. Sie überlegte gerade, ob noch etwas von dem Essen für Mabile und einige andere der Bettlerkinder aufgehoben werden könnte, da setzte Esclarmonde zu einer weiteren Rede an.
» Zunächst will ich versuchen, zu einer friedlichen Einigung mit der katholischen Kirche zu kommen. Es würde genügen, wenn sie unsere Auslegung der Bibel und unseren Glauben hinnimmt. Wir würden die Gegenwart von Katholiken hier natürlich weiter dulden. In einigen Dörfern sind die Kirchen bereits geteilt worden, sodass beide Glaubensgemeinschaften sich dort versammeln können. «
Adelind dachte an Juden in öffentlichen Ämtern und an muslimische Händler, die im Languedoc leben durften. Ahnte die Gräfin, dass der Rest der Welt selten bereit war, so viel Fremdes in seiner Mitte zu dulden?
» Wie gedenkt Ihr den Papst dazu zu bringen, dass er unseren Glauben hinnimmt? « , erklang nochmals Olivettes Stimme, weiterhin leise, aber nun allmählich gefasster.
Esclarmonde sah ihre Tochter für einen winzigen Moment fast staunend an, da sie kritische Fragen von ihr wohl nicht gewohnt war.
» Es soll ein weiteres Treffen zwischen unserer Kirche und den Vertretern der Katholiken stattfinden « , erklärte sie dann. » Guilhabert de Castres und ich haben es gemeinsam in die Wege geleitet. Es soll in
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