Die Kinder aus Bullerbü
zweitens findet ihr die Karte nie, auf der sie
sind.«
»Was ist das für eine Karte?«, fragten wir.
»Eine Karte, die wir gezeichnet haben«, sagte Lasse, »aber
die haben wir versteckt.«
Da begannen Britta, Inga und ich, nach der Karte zu suchen.
Wir glaubten ganz bestimmt, sie müsse irgendwo im
Mittelhof versteckt sein, denn Lasse würde nie darauf eingehen,
sie anderswo zu verstecken. Wir suchten stundenlang in
Lasses und Bosses Zimmer, in ihren Betten und
Kommodenschubladen, im Kleiderschrank und überall.
Schließlich sagten wir zu Lasse:
»Du kannst doch wenigstens sagen, ob es Vogel, Fisch oder
etwas dazwischen ist.« So sagt man doch, wenn man
»Schlüsselverstecken« spielt.
Und da fingen Lasse, Bosse und Ole entsetzlich an zu lachen
und Lasse sagte:
»Es ist Vogel. Nicht wahr, es ist Vogel?«
Dann blinzelten sie sich zu und machten furchtbar schlaue
Gesichter. Wir suchten in der Lampe und sahen nach, ob die
Karte etwa hinter der Tapete oben an der Decke versteckt
wäre; denn sie musste ja hoch oben versteckt sein, da es
»Vogel« war. Aber Lasse sagte:
»Ihr könnt es genauso gut aufgeben, ihr findet sie nie!«
Schließlich hatten wir keine Lust mehr zu suchen.
Aber am nächsten Tag wollte ich Ole fragen, ob er mir
»Tausendundeine Nacht« leihen könne, denn es regnete, und
ich wollte lesen. Lasse und Bosse waren draußen. Ich ging
also in ihr Zimmer, um durch die Linde zu Ole
hinüberzuklettern.
Früher einmal hatte in der Linde ein Vogel gewohnt. Er hatte
sein Nest in einem Loch im Stamm gehabt. Aber jetzt wohnte
er nicht mehr dort. Als ich an dem Nest vorbeikletterte, sah
ich, dass aus dem Loch eine Schnur heraushing.
Wozu in aller Welt hat der Vogel eine Schnur gebraucht?
dachte ich und zog an der Schnur. Am anderen Ende der
Schnur war eine kleine Papierrolle befestigt. Und denkt nur:
Das war die Karte!
Ich glaubte, ich sollte vom Baum fallen, so erstaunt war ich.
Ich vergaß ganz »Tausendundeine Nacht«, kletterte zu Lasses
und Bosses Zimmer zurück und wollte rasch zu Britta und
Inga hinüberrennen. Ich hatte es so eilig, dass ich die Treppe
hinunterfiel und mir das Knie aufschlug.
Oh, wie Britta und Inga sich freuten! Wir rannten in die
Scheune und es dauerte nicht lange, bis wir die erste Höhle
gefunden hatten. Die Jungen hatten Gänge im Heu gegraben
und alle waren in der Karte eingezeichnet. Wenn man durch so
einen langen Gang kriecht und es so dunkel ist und so viel
Heu ringsum, muss man manchmal denken:
Wenn ich nun nicht wieder hinausfinde!
Es ist unheimlich und furchtbar aufregend. Aber man findet
immer wieder hinaus.
Nur in den Gängen war es dunkel. In den Höhlen war es hell,
denn sie lagen alle dicht an der Wand, wo durch Ritzen
zwischen den Brettern Licht hineinfiel. Es waren große,
schöne Höhlen und wir begriffen, dass die Jungen viel Mühe
damit gehabt hatten, sie zu graben. Der Gang zur letzten Höhle
war so lang, dass wir dachten, er werde überhaupt nie ein
Ende nehmen. Ich kroch voran, dann Britta und dann Inga.
»Ihr werdet sehen, wir finden nie wieder hinaus«, sagte Britta.
Im selben Augenblick sah ich, dass es weiter vorn heller
wurde, und da war die Höhle! Und - hurra! - da saßen Lasse
und Bosse und Ole! Waren die überrascht, als wir die Nasen
zu ihnen hineinsteckten.
»Wie habt ihr hergefunden?«, fragte Lasse erstaunt. »Haha,
wir haben natürlich die Karte gefunden«, sagte ich. »Das war
ja keine Kunst. So ein leichtes Versteck!« Ausnahmsweise
einmal war Lasse so verdutzt, dass er keine Antwort wusste.
Nachdem er eine Weile überlegt hatte, sagte er: »Ach was, wir
lassen die Mädchen mitspielen.«
Dann spielten wir den ganzen Tag in den Höhlen, während
es draußen regnete, und es war sehr lustig.
Aber am nächsten Tag sagte Lasse: »Da ihr unser
Geheimnis kennt, ist es nur gerecht, wenn wir jetzt erfahren,
wo eure Walderdbeerstellen sind.«
»Meinst du?«, sagten wir. »Die müsst ihr selber finden, so wie
wir die Höhlen gefunden haben.«
Um es leichter zu machen, legten Britta, Inga und ich kleine
Pfeile aus Holzstückchen auf den Boden.
Aber die Entfernung zwischen den Pfeilen war groß, und
deshalb dauerte es doch lange, bis die Jungen die
Walderdbeerstellen fanden.
Zu unserer allerbesten Stelle legten wir keinen Pfeil. Das ist
unser großes Geheimnis, und wir wollen es nie, nie, niemals
irgendjemandem erzählen.
Wir schlafen auf dem Heuboden
ines Tages sagte
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