Die Kinder aus Bullerbü
Ole aus der Mittelhofscheune. Sie
froren auch. Wir liefen in unsere Küche, um uns
aufzuwärmen. Aber da war noch keine Menschenseele! Sie
schliefen alle noch, denn es war erst halb fünf. Gleich darauf
klingelte jedoch Agdas Wecker. Sie musste aufstehen und
melken. Und sie gab uns allen warme Milch und Brötchen.
Oh, wie das schmeckte!
Nachher kroch ich schnell ins Bett, denn ich wollte gern noch
ein bisschen schlafen. Es muss ein sehr kluger Mensch
gewesen sein, der das mit den Betten erfunden hat, denn man
schläft in seinem Bett tatsächlich besser als im Heu.
Als Inga und ich weglaufen wollten
ch finde, mit keinem lässt es sich so gut spielen wie mit
I Inga. Wir haben viele So-tun-als-ob-Spiele, die nur wir
beide kennen. Manchmal spielen wir, dass wir zwei Frauen
sind, die sich gegenseitig besuchen. Dann heißt Inga Frau
Bengtsson und ich Frau Larsson. Inga sieht sehr vornehm aus,
wenn sie Frau Bengtsson ist, und sie spricht auch so
vornehm. Ich spreche auch vornehm, wenn ich Frau Larsson
bin. Manchmal tun wir, als ob Frau Bengtsson und Frau
Larsson sich erzürnt haben, und dann sagt Inga:
»Gehen Sie bloß nach Hause mit Ihren ungezogenen
Kindern, Frau Larsson.«
Das sind meine Puppen, die sie ungezogene Kinder nennt.
Und dann sage ich:
»Ich finde, Ihre Kinder sind ungezogen, Frau Bengtsson.«
Gleich danach sind wir gute Freunde und spielen, als ob wir
in Geschäfte gehen und Seide und Samt und Bonbons
kaufen. Das Geld, mit dem wir bezahlen, ist kein richtiges
Geld. Wir haben es selber oben bei Großvater gemacht. Wir
haben Angst, Lasse und die anderen könnten hören, dass wir
so tun, als ob wir feine Damen wären, denn dann lachen sie
nur über uns. Dass Großvater es hört, schadet nichts. Denn er
tut auch manchmal, als ob er etwas wäre, was er gar nicht
ist. Bei ihm können wir ruhig etwas für unser Spielgeld
kaufen.
Bei Regenwetter sitzen Inga und ich oft beim Großvater und
lesen ihm aus der Zeitung vor. Als Großvater klein war,
starben seine Eltern, und er kam zu fremden Menschen, die
gar nicht gut zu ihm waren. Er musste viel arbeiten, obwohl
er so klein war, und er bekam so viel Prügel und so wenig zu
essen, dass er schließlich das Ganze satt hatte und davonlief.
Und er erlebte so viele Abenteuer, dass man es fast nicht
glauben kann, bis er schließlich zu netten Menschen kam, bei
denen er bleiben konnte. An einem Regentag, als Inga und ich
bei Großvater saßen und ihm die Zeitung vorgelesen hatten,
sagte Inga:
»Großvater, erzähl von damals, als du weggelaufen bist.« »Ach,
ach«, sagte Großvater. »Das habt ihr doch schon so oft
gehört.«
Aber wir lagen ihm so lange in den Ohren, bis er uns wieder
davon erzählte.
Als er fertig war, sagte Inga:
»Es muss lustig sein wegzulaufen. Ich möchte auch mal weglau-
fen.«
»Aber dann musst du doch erst böse Menschen haben, von
denen du wegläufst«, sagte ich.
»Das ist nicht nötig«, sagte Inga. »Man kann ja auch so
weglaufen. Bloß ein kleines bisschen. Und dann bald wieder
zurückkommen.«
»O ja, das machen wir«, sagte ich, »aber nicht sehr weit.« »Was
meinst du, Großvater«, fragte Inga, »findest du, dass wir es tun
sollen?«
Und Großvater sagte, wir könnten es ja tun, bloß ein bisschen.
Und da beschlossen wir wegzulaufen. Es musste natürlich
nachts geschehen und kein Mensch durfte es wissen. Wir baten
Großvater, es niemandem zu erzählen, und das versprach er. Ich
kann abends immer so schwer wach bleiben. Ich wusste also
nicht, was ich tun musste, um nicht einzuschlafen, bis es Zeit
zum Weglaufen wäre. Aber Inga sagte:
»Schlaf du nur! Wir binden einen Bindfaden an deinen großen
Zeh und lassen ihn aus dem Fenster hängen, und dann komme
ich und ziehe daran, und du wachst auf.«
Sie sagte auch, sie wolle Wacholdergrün pflücken und in ihr
Bett legen, dann werde sie sicher wach bleiben können, bis die
anderen eingeschlafen wären.
Dann fragten wir Großvater, was man mitnehmen müsse, wenn
man wegliefe, und er sagte, man müsse etwas zu essen mitnehmen
und vielleicht etwas Geld, wenn man welches habe. Wir wollten
schon in derselben Nacht weglaufen, so dass wir furchtbar
viel zu tun hatten, alles zu besorgen. Ich ging zu Mama und bat
um ein paar Butterbrote und sie sagte: »Was, bist du schon
wieder hungrig? Wir haben doch eben erst Abendbrot
gegessen.«
Ich konnte ihr ja nicht erzählen, wofür ich die Butterbrote
brauchte, und deshalb
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