Die Kinder aus Bullerbü
Wir
warteten und warteten und warteten und manchmal ging ich
zum Spiegel, um zu sehen, ob ich schon graue Haare hätte.
Aber
merkwürdigerweise blieb mein Haar so weizengelb wie
vorher. Bosse klopfte ab und zu an die Uhr, weil er
glaubte, sie sei stehen geblieben.
Als es dunkel wurde, war es endlich Zeit, mit unseren
Weihnachtsgeschenken zum Nordhof und zum Südhof zu
gehen. Wenn es noch hell ist, kann man das nicht machen,
denn dann ist es nicht spannend.
Lasse, Bosse und ich setzten uns die roten Zipfelmützen auf.
Lasse nahm natürlich die Maske, die er später am Abend als
Weihnachtsmann aufhaben sollte. (Zur Zeit macht Lasse bei
uns den Weihnachtsmann. Als ich noch klein war, glaubte
ich, es gäbe einen richtigen Weihnachtsmann, aber jetzt
glaube ich es nicht mehr.) Wir nahmen also unsere Pakete und
schlichen uns in die Dunkelheit hinaus. Es waren viele Sterne
am Himmel. Und als ich zum Wald hinübersah, der so
dunkel dalag, dachte ich, vielleicht könnte es doch einen
Weihnachtsmann dort geben, und bald würde er mit einem
Schlitten angefahren kommen, der hoch mit Geschenken
beladen ist. Ich wünschte fast, es wäre so.
Im Küchenflur des Nordhofes war kein Licht. Wir klopften an
die Tür, und dann öffneten wir sie und warfen unsere Pakete
in die Küche hinein. Und da kamen Britta und Inga heraus
gestürzt und sagten, wir müssten unbedingt hereinkommen
und ihr Weihnachtsgebäck und ihre Sirupbonbons probieren.
Das taten wir. Und dann kriegten wir auch
Weihnachtsgeschenke.
Danach setzten Britta und Inga sich ihre Weihnachts-
mannmasken auf und wir gingen alle zusammen zu Ole in den
Südhof. Ole saß in der Küche und wartete auch nur. Swipp
bellte entsetzlich, als er plötzlich gleich fünf
Weihnachtsmänner sah. Ole setzte sich auch seine
Weihnachtsmannmaske auf und nun liefen wir alle hinaus und
spielten im Dunkeln Weihnachtsmann. Wir spielten, wir seien
richtige Weihnachtsmänner, die mit Geschenken für die
Menschen unterwegs sind.
Endlich wurde es doch Abend und wir aßen Abendbrot am
großen Tisch in der Küche. Kerzen standen auf dem Tisch und
eine gewaltige Menge Essen. Aber ich aß fast nur Schinken
und natürlich Grütze. Denn ich wollte so gern die Mandel
haben. Aber ich bekam sie nicht. Wir haben einen Knecht hier
auf dem Mittelhof, der Oskar heißt. Er hat Agda, unser
Hausmädchen, so gern. Und der, der die Mandel in der Grütze
findet, heiratet im nächsten Jahr. Und stellt euch vor, die
Mandel war mittendurch gebrochen, und Oskar und Agda
fanden jeder eine Hälfte. Oh, wie haben Lasse und Bosse und
ich gelacht! Agda wurde wütend und sagte, das Ganze sei
sicher eine abgekartete Sache von uns Kindern. Aber was
konnten wir dafür, dass die Mandel kaputtgegangen war!
Wir reimten auch zur Grütze. Lasse reimte:
Die Mandel brach in der Mitte genau.
Agda wird sicher bald Oskars Frau.
Ist das nicht gut gereimt? Nur Agda fand es nicht gut. Ihre
Laune besserte sich, als wir alle ihr später beim Abtrocknen
halfen. Das taten wir, damit die Bescherung schneller
beginnen konnte. Danach gingen wir ins Wohnzimmer. Die
Kerzen am Weihnachtsbaum brannten und auf dem Tisch
standen auch brennende Kerzen. Ich hatte Gänsehaut. Die
habe ich immer, wenn es so schön
und spannend ist. Papa las aus der Bibel vom Christkind vor.
Und ich sagte einige schöne Verse auf, die so anfangen: »Du
kleines, liebes Jesuskind, dort liegst du nun in deinem
Stroh...« In den Versen heißt es dann noch, das Christkind
müsse eine ganze Menge Weihnachtsgeschenke und eine große
Torte kriegen, und das meine ich auch. Aber stattdessen
bekommen wir ja die Weihnachtsgeschenke.
Während wir anderen sangen: »Alle Jahre wieder kommt
das Christuskind...«, schlich Lasse sich hinaus und kam nach
einer Weile, als Weihnachtsmann verkleidet und mit einem
großen Sack auf dem Rücken, wieder. »Gibt es hier artige
Kinder?«, fragte er.
»Ja, zwei Stück«, sagte Bosse, »aber hier gibt's auch noch einen
richtigen Flegel, der Lasse heißt. Zum Glück scheint er im
Augenblick weggegangen zu sein.«
»Von dem habe ich schon gehört«, sagte der Weihnachtsmann.
»Dieser Lasse ist der beste Junge, der im ganzen Land zu finden
ist. Er soll mehr Weihnachtsgeschenke bekommen als irgendein
anderer.«
Er bekam nicht mehr. Wir bekamen alle gleich viele Weihnachts-
geschenke. Ich bekam eine neue Puppe, drei Bücher, ein lustiges
Spiel, Kleiderstoff, Handschuhe und alles
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