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Die Kinder aus Bullerbü

Die Kinder aus Bullerbü

Titel: Die Kinder aus Bullerbü Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Zeitung
    vorlesen, ist es immer Inga, die auf seinem Schoß sitzt, und er
    nennt sie immer »meine Kleine«. Ich verstehe nicht, wie er
    Inga von uns anderen unterscheiden kann, wo er doch fast
    blind ist. Aber er kann es.
    Dabei ist Inga nicht behaart wie Esau in der biblischen
    Geschichte. Für Esaus Vater war es ja keine Kunst, seine
    Kinder zu unterscheiden, weil das eine behaart und das andere
    glatt war. Aber dass Großvater es kann, ist doch erstaunlich –
    da Inga nicht ein bisschen behaart ist.
    Auf jeden Fall ist Großvater zu uns allen sehr, sehr gut; es
    macht eigentlich nicht viel aus, dass er Inga »meine Kleine«
    nennt.
    Aber außerdem haben Britta und Inga auch noch einen
    eigenen See. Das ist die andere Sache, um die ich sie beneide.
    Man läuft nur über ihre Kuhweide, und schon ist man am
    Nordhof-See, der feinen Sandstrand hat. Dort baden wir im
    Sommer. Einmal, als wir uns böse waren, sagte Inga, ich
    dürfe nicht mehr in ihrem See
    baden. Aber da sagte Ingas Mama, ich dürfe dort baden, so viel
    ich wolle, denn das sei ein altes Recht. Inga kann mir also
    niemals verbieten, im Nordhof-See zu baden, und wenn wir
    noch so böse miteinander sind. Übrigens vertragen wir uns
    meistens.
    Auf der anderen Seite des Sees ist kein Sandstrand. Dort sind
    hohe Berge. Jedenfalls finde ich, dass sie hoch sind. Wenn
    Lasse auch sagt, ich sollte erst einmal das Felsengebirge in
    Nordamerika sehen. Wir tun so, als sei es das Felsengebirge,
    das auf der anderen Seite des Sees liegt. Und manchmal rudern
    wir mit dem Kahn vom Nordhof hinüber.
    Lasse sagt, es muss ein Riese gewesen sein, der all die großen
    Felsblöcke und Steinbrocken im Felsengebirge
    umhergeschleudert hat. Vor langer Zeit, als es noch keine
    Menschen gab. Und kein Bullerbü. Ich bin froh, dass ich
    damals nicht lebte. Als es kein Bullerbü gab! Oh, was für ein
    Glück, dass jemand den Einfall hatte, Bullerbü zu bauen. Wo
    hätten wir sonst wohnen sollen? Lasse sagt, dann hätten wir
    in der Höhle im Felsengebirge wohnen können. Es gibt dort
    eine richtig schöne Höhle unter einigen riesengroßen
    Felsblöcken.
    Wir haben eine Kiefer, an der wir immer unseren Kahn
    anbinden, wenn wir auf die andere Seite des Sees kommen.
    Dann klettern wir sofort in die Berge hinauf. Aber nicht
    irgendwo. Wir haben besondere Stellen, wo wir uns festhalten
    können. Und das ist auch nötig, weil es sehr schwer ist, auf
    Berge zu klettern.
    Wir haben eine Felsspalte, die wir Nasenstoßer nennen. Sie ist
    so schmal, dass man sich fast immer die Nase stößt, wenn
    man hindurch will. Aber man muss dort durch, denn es gibt
    keinen anderen Weg. Dann gibt es einen Felsen, der
    hervorspringt, und man muss, um daran vorbeizukommen, auf
    einer schmalen Kante entlangkriechen. Wir nennen diese
    Klippe Rotzbruch, weil Lasse erzählt hat, dass Bosse dort
    eines Tages hinuntergefallen sei und sich den Rotz
    abgebrochen habe. Bosse sagt, ja, er sei zwar abgestürzt, aber er habe sich dabei beinahe den Arm gebrochen, und Lasse müsse
    Prügel kriegen, wenn er behaupte, dass es Rotz gewesen sei.
    Der Felsen heißt aber trotzdem Rotzbruch. Die
    allergefährlichste Stelle heißt »Hand des toten Mannes«.
    Wenn man dort hinunterfällt, müssen sie einen mit der
    Schubkarre nach Hause fahren, sagt Lasse. Hat man jedoch all
    die gefährlichen Stellen geschafft, so ist man bald oben auf
    dem höchsten Berg. Und wenn man dann ein kleines Stück in
    den Wald hineingeht, kommt man an die Höhle. Wir nennen
    die Höhle Donnerloch.
    An einem Sonntag im Frühling, kurz vor den Ferien, machten
    wir einen Ausflug in unser Felsengebirge. Wir hatten etwas
    zu essen mit und sagten zu Hause, dass wir sicher den ganzen
    Tag wegbleiben würden.
    Lasse band den Kahn an unserer Kiefer fest. Und dann fingen
    wir an zu klettern. Wir sprachen darüber, was wohl lustiger
    sei: Auf Berge zu klettern oder auf Bäume. Und wir fanden
    alle, dass es sicher ein bisschen lustiger sei, auf Berge zu
    klettern. Wir fanden auch eine neue Stelle, die wir
    Ziehbauchein nannten. Weil man den Bauch einziehen musste,
    wenn man dort vorbei wollte. Sicher, ganz neu war die Stelle
    nicht. Wir waren schon oft an Ziehbauchein vorbeigeklettert.
    Aber wir hatten nicht gewusst, dass die Stelle Ziehbauchein
    hieß.
    Als wir über die Hand des toten Mannes kletterten, fror ich
    ein wenig, denn es war so spannend. Mama hätte die Hand
    des toten Mannes nicht sehen dürfen, sie hätte uns dann
    sicher nie zum Felsengebirge

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