Die Kinder aus Bullerbü
wir
glaubten, es werde an diesem Tag nicht mehr schön. Doch
plötzlich kam die Sonne hinter einer Wolke hervor. Wir
verließen die Höhle und sahen auf den See hinaus. Und die
kleine Insel, die mitten im Nordhof-See liegt, sah ganz herrlich
aus. Die Sonne schien auf unseren Felsen, wo wir manchmal
baden, und Lasse sagte: »Wollen wir nicht rüberrudern und
baden?«
Vor zwei Tagen hatten wir Mama gefragt, ob wir nicht bald
baden dürften, und da hatte sie gesagt: »Nein, dafür ist es
noch zu früh. Ihr müsst noch etwas damit warten.«
»Nun haben wir etwas gewartet«, sagte Lasse.
Wir ruderten also zur Insel hinüber. Wir zogen uns bei
unserem Felsen aus und wetteiferten, wer zuerst im Wasser
war. Es war Bosse, denn inzwischen waren die Fischklöße
sicher etwas tiefer gesackt.
Aber es war so entsetzlich kalt im Wasser, dass wir schnell
alle wieder rauskamen. Und das Erste, was wir sahen, das war
der böse Widder vom Nordhof. Da stand er mit seinen
großen, krummen Hörnern und sah angriffslustig aus. Der
Nordhof-Widder kann auf keiner Weide mit den anderen
Schafen zusammen gelassen werden. Er springt über alle
Zäune und stößt alle, die er sieht. Im Frühling muss er immer
ganz allein auf der Insel bleiben. Es ist schrecklich mühsam,
ihn dorthin zu bekommen. Onkel Nils und Papa helfen Onkel
Erik dabei, seine Beine mit Stricken zusammenzubinden.
Dann legen sie ihn in den Nordhof-Kahn und Onkel Erik
rudert mit ihm zur Insel hinüber und lässt ihn dort frei. Wir
waren sehr erstaunt, als wir aus dem Wasser kamen und den
Widder am Strand stehen und uns anglotzen sahen. Wir
hatten vergessen, dass er auf der Insel war. Ulrich heißt der
Widder.
»Ach, du liebe Zeit«, rief Inga, »an Ulrich habe ich überhaupt
nicht gedacht.«
Ich glaube, Ulrich findet es grässlich, gefesselt und in ein
Boot gelegt zu werden, während seine Frauen und Lämmer
zugucken. Vielleicht ist er deshalb so bösartig. Und dann ist es
ja wohl auch langweilig, die ganze Zeit allein auf der Insel zu
sein. Jetzt war er sicher wütender als je zuvor. Er senkte den
Kopf und kam auf uns zugeschossen. Ole bekam einen Stoß
und fiel hin. Aber er sprang schnell wieder auf die Beine und
rannte um sein Leben. Das taten wir alle. Bosse, Inga und
Britta kletterten auf einen hohen Stein und Ole und ich
kletterten auf einen Baum; Lasse versteckte sich hinter einem
Busch. Ich schrie Lasse zu:
»Na, du Auerochsenjäger! Hier hast du einen - beinahe
jedenfalls! Jetzt zeig uns mal, wie du ihn fängst!«
Und Inga und Britta schrien:
»Ja, jetzt kommt der Auerochse, Lasse! Fang ihn doch!«
Lasse aber wagte nicht, ein Wort zu sagen. Ganz still
stand er hinter dem Busch, damit Ulrich nicht hörte, wo er
war.
Ulrich war wütend, weil er uns nicht stoßen konnte. Er
stand unter dem Baum, auf dem Ole und ich saßen, und stieß
gegen den Stamm, dass die Borke umherflog. Und als das
nichts half, ging er zu dem Stein, auf den Bosse, Britta und
Inga geklettert waren. Er stellte sich darunter und glotzte sie
wütend an.
»Glotz du nur!«, sagte Britta.
Aber bald dachten wir daran, wie wir überhaupt von der
Insel wegkommen sollten. Ulrich sah nicht aus, als wolle
er unsere Bewachung vor Müdigkeit aufgeben.
»Wer doch jetzt einen Fischkloß hätte«, sagte Bosse.
Die Fischklöße, die übrig geblieben waren, hatten wir im
Donnerloch vergessen. Jetzt, da Bosse von Fischklößchen
sprach, spürten wir alle, wie hungrig wir waren.
»Bist du hinter deinem Busch eingeschlafen?«, schrie Ole zu
Lasse hinüber.
Da kam Lasses Kopf zum Vorschein, und dann versuchte
Lasse, sich zu dem Stein zu schleichen, auf dem Bosse, Inga
und Britta waren. Aber das hätte er nicht versuchen sollen.
Ulrich sah ihn und machte vor Entzücken einen richtigen
Luftsprung. Er stürmte auf Lasse zu. Lasse lief und wir
schrien. Es sah entsetzlich aus: Lasse um die
Wacholderbüsche herum und Ulrich immer dicht hinter
ihm.
»Lauf, Lasse, lauf!«, schrie Inga.
»Das tu ich doch«, schrie Lasse zurück.
Einmal stieß Ulrich Lasse zu Boden, und da schrien wir,
dass es sich anhörte wie der Urschrei.
Ulrich kriegte sicher Angst vor dem Schrei. Lasse kam wieder
auf die Beine und rannte weiter, Ulrich hinter ihm her. Wir
schrien noch viel lauter; aber diesmal half es nicht.
Auf der Insel steht ein alter Heuschober. Das Dach ist kaputt
und der Heuschober wird nicht mehr benutzt. Die Tür
stand weit offen. Lasse hinein. Ulrich
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