Die Kinder aus Bullerbü
wissen, wo die Mädchen sind«, sagte Lasse.
»Vielleicht sind sie in Lisas Zimmer und albern mit den Puppen
herum.«
»Ach, dann würde man das Geschnatter hören, das ist doch
klar«, sagte Ole. »Die sind irgendwo im Nordhof, glaub ich.
Hol den Schrein raus!«
Wir wagten nicht, uns zu bewegen. Ich hatte solche Angst –
wenn ich nun niesen musste oder lachen?
Es sah aus, als wollte Lasse genau auf mich zugehen, und ich
dachte: Oh, jetzt ist es aus! Aber er hielt rechtzeitig inne und
bückte sich und hob etwas auf, was ich nicht sehen konnte. Inga
stieß mich an und ich sie.
»Weise Männer, schwört, das Versteck niemals zu verraten«,
sagte Lasse.
»Ja, aber was sollen wir sagen?«, fragte Bosse.
Er kann sich nicht so leicht etwas ausdenken wie Lasse und ich.
Aber Ole sagte: »Wir schwören, das Versteck niemals zu
verraten!«
»Schwört, dass die Ungetreuen niemals den Schrein der
Weisen in die Hände bekommen«, sagte Lasse.
Die Ungetreuen, das waren natürlich Britta, Inga und ich, und
ich stieß Inga wieder an.
Bosse und Ole schworen, niemals den Schrein der Weisen in
die Hände der Ungetreuen fallen zu lassen.
»Niemals! Denn wenn die Ungetreuen ihn anfassen, dann
schwindet die geheime Kraft des Schreins«, sagte Lasse.
Ich hätte zu gern diesen seltsamen Schrein gesehen, aber die
Jungen standen davor und verdeckten ihn. Endlich legte
Lasse ihn wieder unter ein loses Bodenbrett. Und dann
polterten sie die Treppe hinunter.
Nun kam Leben in uns. Sobald die Bodentür zugeschlagen
war, sausten wir aus unserem Versteck und hoben das Brett auf.
Und da war der Schrein der Weisen!
Was sage ich? Es war Lasses alte Zigarrenkiste und nichts
anderes!
war mit großen Buchstaben auf den Deckel geschrieben und
darunter war ein Totenschädel gemalt.
»Schnell, beeil dich, Britta, damit wir endlich sehen, was drin
ist«, sagte Inga.
Britta öffnete den Schrein, Inga und ich reckten uns fast die
Hälse aus – aber wir sahen nur drei kleine, weiße Zähne. Zwei
kleine und einen etwas größeren. Das war alles, was der
Schrein der Weisen enthielt.
»Manchmal möchte ich wirklich wissen, ob die Jungen noch
ganz bei Trost sind«, sagte Britta.
Agda, unser Hausmädchen, hat ihre Sachen, die sie nicht
ständig braucht, in einer alten Kommode, die auf dem Boden
steht. Mama hat gesagt, dass wir auf keinen Fall Agdas Sachen
anfassen dürfen. Aber Agda ist sehr nett. Sie hat mir schon
eine Menge Feines gezeigt, was in den Schubladen liegt. Sie
besitzt ein kleines rosa Nadelkissen, mit Spitze eingefasst, und
viele schöne bunte Postkarten mit Blumen drauf und eine
Parfümflasche, die sehr gut duftet, und dann ein Armband,
das beinahe aus Gold ist, und... ja es ist so viel, dass ich es
nicht alles aufzählen kann.
Als der Zahnarzt im vorigen Jahr in Storbü war, machte er
Agda ein neues Gebiss. Er sagte, er habe noch nie ein
hässlicheres Gebiss gesehen als Agdas altes, und es wäre
schade, mit einem solchen Gebiss herumzulaufen, wenn man
sonst so gut aussehe. Aber Agda warf ihre alten Zähne nicht
weg. Sie sagte zu mir, sie könne sie vielleicht noch an den
Wochentagen tragen, zumindest wenn schlechtes Wetter sei,
dann schone man die neuen für die Sonntage.
»Zum Kühemelken und Schweinefüttern sind die alten
Zähne wohl noch gut genug«, sagte sie.
Aber sie hatte es bald satt, die alten Zähne zu tragen, denn
die neuen waren ja viel schöner. Agda liebt nämlich Oskar,
unseren Knecht. Sicher wollte sie also auch an Wochentagen
gut aussehen. Das alte Gebiss lag in der obersten
Kommodenschublade, das wusste ich. Und nun fiel mir
etwas ganz Großartiges ein.
»Wisst ihr, was wir machen?«, sagte ich zu Britta und Inga.
»Wir legen Agdas Gebiss in den Schrein der Weisen. Wenn
drei kleine mickrige Jungenzähne dem Schrein geheime Kraft
geben, wie muss da erst eine ganze Zahngarnitur wirken!«
Britta und Inga waren begeistert von meinem Vorschlag. Das
war ja viel besser, als den Schrein der Weisen zu stehlen,
meinte Britta. Denn wenn Jungen sich solchen Unsinn
ausdenken, muss man ihnen schon zeigen, dass man sie nicht
ernst nimmt, fand sie. Und wir Frauen, fand Britta, sollten
auch nicht jeden beliebigen Unsinn so ohne weiteres
hinnehmen.
Wir legten also Agdas altes Gebiss in die Zigarrenkiste und
stellten sie wieder an ihren Platz. Dann gingen wir nach
draußen und suchten die Jungen. Sie waren unten am Weg und
spielten mit Marmeln. Wir setzten uns an
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