Die Kinder der Elefantenhüter
Ersten, ein Mann und eine Frau, sind Zivilbeamte.
An jedem zweiten Freitag im Sommer setzt die Finø-Fähre neben den üblichen sechshundert Touristen zur Verstärkung des örtlichen Polizeikorps zwei Beamte in Zivil ab, und unter den sechshundert Feriengästen fallen die beiden durch ihre individuell-anonyme Art auf wie zwei Laubfrösche auf einer halben Fischfrikadelle. Auch jetzt gibt es keinen Zweifel, und im Grunde hatten wir sie erwartet. Die eigentliche Überraschung ist die Damedahinter. Es ist Bodil Nilpferd, Grenås Gemeindedirektorin.
In zwei Sekunden sind wir runter von der Kutsche und an dem schwarzen Minibus, das ist noch so eine gute Sache bei Geschwistern, wenn es wirklich drauf ankommt, ist jeder eingespielt und kennt seinen Platz im Team.
Wir machen die Tür auf. Es ist ein Sieben-Personen-Bus, hinten mit Gitter für den Hundetransport, und an fünf Sitzen ist eine Flasche mit Trinkwasser befestigt.
»Die nehmen Peter und Basker und mich mit«, sagt Tilte zu Hans, »das ist unvermeidlich. Das heißt, du musst verschwinden. Zieh zu einem Freund und halt dich bedeckt. Mich und Petrus nehmen sie nicht für voll, die denken, wir sind bloß Kinder, dadurch können wir eher herausfinden, was hier eigentlich vor sich geht.«
Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, das müssen wir alle einsehen. Hans setzt sich auf den Bock. Er wirkt verbissen, beinahe verzweifelt. Er wirft uns noch einen letzten Blick zu, dann schnalzt er mit der Zunge, und die Kutsche ist weg.
Der Flur im Wohnheim ist leer, an seine Zimmertür hat Hans eine große Karte von Finø und eine noch größere des Sternenhimmels geheftet. Die Tür ist zu.
Tilte macht sie auf, man kommt in einen kleinen Flur, in dem es auch eine Kochecke gibt, und hier ist auch der Zugang zur Toilette. Die andere Tür führt ins Zimmer. Wir öffnen sie vorsichtig.
Bodil Nilpferd sitzt in einem Sessel. Die beiden Beamten suchen etwas, übrigens nichts, was sie verloren hätten, denn sie haben Hans’ Bücher aus dem Regal geräumt und die Schränke so gut wie geleert und machen nun Anstalten, das Bett auseinanderzunehmen.
Tilte zieht ihr Handy aus der Tasche, fotografiert die Beamten, und bevor wir bemerkt werden, ist das Telefon schon wieder in ihrer Tasche verschwunden.
Bodil hat uns entdeckt, sie winkt uns zu ihrem Sessel herüber. Typisch Bodil, sie sitzt auf dem Thron, zu ihr geht man hin.
»Schön, euch zu sehen«, sagt sie, »wo habt ihr denn euren großen Bruder gelassen?«
Sie öffnet ihre Hände, damit man sein Pfötchen in ihre Pranke legen kann.
»Er schließt sein Rad im Fahrradkeller an«, sagt Tilte.
»Wir können eure Eltern nicht erreichen. Wir haben zwar keinen Grund zu der Annahme, dass ihnen irgendetwas zugestoßen ist, aber wir können sie nicht ausfindigmachen. Deswegen muss ich euch etwas fragen. Dem Gemeinderat haben sie gesagt, sie seien in Spanien, auf La Gomera. Haben sie euch das auch gesagt?«
»Wollen wir gern drauf antworten«, sagt Tilte. »Aber vorher möchten wir auch gerne wissen, wieso ihr meint, dass sie nicht auf Gomera sind.«
Ich weiß über Nilpferde nicht viel zu sagen. Aber ich glaube, in der großen Schlammpfütze gehören sie zu den Tieren, die die Tagesordnung festlegen. Das gilt auch für Bodil. Sie verstärkt den Griff um Tiltes Hand.
»Ich bin es, die hier die Fragen stellt«, sagt sie. »Habt ihr mit euren Eltern abgemacht, dass sie euch anrufen?«
»Darauf wollen wir gern antworten«, sagt Tilte.
Dabei lässt sie ihr Telefon in meine Tasche gleiten.
»Aber erst«, fährt sie fort, »möchten wir euch etwas fragen, was uns Sorgen macht, und zwar ob eure Papiere in Ordnung sind.«
Auf Bodils Stirn entsteht eine Falte.
»Wir haben die entsprechenden Unterlagen der Sozialverwaltung mit dem Auftrag, uns um euch zu kümmern«, sagt sie. »Die sogenannte Paragraph-50-Erklärung.«
»Die meine ich nicht«, sagt Tilte. »Ich meine den richterlichen Durchsuchungsbefehl, der es euch erlaubt, in die Wohnung meines Bruders einzudringen und sie auf den Kopf zu stellen.«
Im Zimmer herrscht Schweigen. Auch die Beamten spüren, dass hier etwas auf sie zukommt.
»Ich fürchte«, sagt Tilte, »für euch, dass die Geschichte hier in die Zeitung kommt. Ich hab nämlich ein paar Fotos gemacht.«
Bodil und die Beamtin halten Tilte fest. Aber das Telefon habe ich, und ich bin längst an der Ausgangstür.
»Petrus hat das Handy mit den Bildern«, sagt Tilte.
Der Beamte bekommt plötzlich so einen gewissen
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