Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
dem Jammern aufzuhören und sich dem Company-Bild zuzuwenden, das Philippa auf dem Tisch ausgebreitet hatte, genauer gesagt dem rätselhaften Durcheinander aus gewundenen Schlangen, die sich über das Blatt ringelten.
»Irgendeine Idee, was sie bedeuten könnten?«, fragte er.
Philippa sah auf das Bild und schüttelte den Kopf. Sie hatte kaum etwas verstanden in dem Buch über Codes und Geheimschriften, das sie aus Mr Rakshasas’ Bibliothek geliehen hatte. Eigentlich war sie danach noch verwirrter gewesen als vorher. »Bisher nicht«, murmelte sie nachdenklich. »Nur, dass der Code nicht besonders schwierig sein kann. Warum hätteKilliecrankie seine Nachricht sonst mit unsichtbarer Tinte schreiben sollen?«
»Wohl wahr«, gab Groanin zu.
»An irgendetwas erinnert mich das«, sagte John und starrte auf die tanzenden Schlangen. »Wenn ich nur wüsste, an was.« Und plötzlich fiel es ihm ein. »Was rede ich denn? Natürlich weiß ich, an was es mich erinnert! Warum bin ich nicht schon in der Bibliothek draufgekommen? Ich, als Fan von Sherlock Holmes! Es ist genau wie bei den
Tanzenden Männchen
, einer von Conan Doyles berühmtesten Geschichten. Nur dass es hier tanzende Schlangen sind und keine tanzenden Männchen.«
Dybbuk stöhnte und verdrehte die Augen. »Kannst du uns vielleicht erklären, von was du da schwafelst?«, sagte er und schwang eine tibetanische Gebetsmühle, die er von einem Tischchen genommen hatte. »Oder muss ich es mit diesem Ding aus dir rausprügeln?«
»Sei still! Vielleicht kannst du ausnahmsweise mal was dazulernen«, sagte Groanin zu Dybbuk. »Er hat Recht. In der Tat, du hast Recht, junger John. Mit den Schlangen verhält es sich wirklich wie mit den tanzenden Männchen in der Sherlock-Holmes-Geschichte.« Ungeduldig funkelte er Dybbuk an. »Hätten wir dran gedacht, ein Exemplar aus London mitzubringen, könnten wir schön nachsehen, wie der gute Mann dem Code auf die Spur gekommen ist.«
»ABECEDERISCH!«, sagte John und vier Ausgaben von
Die Rückkehr des Sherlock Holmes
, dem Band, der die Geschichte der
Tanzenden Männchen
enthielt, erschienen vor ihnen auf dem Tisch. Es war die gleiche Taschenbuchausgabe,die John zu Hause in New York in seinem Bücherregal stehen hatte.
»Genau, was wir brauchen«, sagte Groanin.
»Nichts leichter als das, lieber Groanin«, sagte John.
»Dann schlage ich vor, dass wir uns die Geschichte jetzt zu Gemüte führen. Wir lesen sie durch und machen uns dann Gedanken, wie sich das Rätsel, mit dem wir es hier zu tun haben, lösen lässt. Genau, wie Mr Holmes es getan hätte.«
Dybbuk stöhnte wieder. »Was? Noch mehr lesen? Ich hab das Gefühl, seit ich mit euch zusammen bin, tu ich nichts anderes, als bergeweise blöde Bücher zu lesen.« Er schüttelte entnervt den Kopf. »ZYGOBRANCHIAT! Ich wünschte, ich wüsste, was die Botschaft bedeutet und wie der Code funktioniert.«
»So funktioniert das Wünschen aber nicht.« John lachte. »Du solltest dich mal wieder mit den Regeln von Bagdad beschäftigen«, sagte er zu Dybbuk. »Abschnitt 3, Absatz drei, Paragraf 1. Man kann sich nicht wünschen, was man sich nicht genau vorstellen kann.«
Dybbuk wusste das natürlich, denn er war nicht halb so ignorant und Büchern gegenüber nicht halb so abgeneigt, wie er manchmal vorgab (die Regeln von Bagdad mit inbegriffen). »Das war doch nur so dahingesagt«, meinte er. »Ich hab gar nicht versucht, es wahr werden zu lassen.«
»Wenn du den Wunsch gar nicht verwirklichen wolltest, warum hast du dann dein Fokuswort ausgesprochen?«, hakte Philippa nach.
»Gewohnheit«, sagte Dybbuk. »Reine Gewohnheit.«
»Also dann, Kinder«, sagte Groanin. Er nahm einen Bandder Sherlock-Holmes-Geschichten und schlug ihn auf, wobei er den Buchrücken so weit durchbog, dass Philippa zusammenzuckte. »Wir haben eine Geschichte zu lesen. Das heißt, wenn wir jemals auch nur die geringste Chance haben wollen, Dybbuks Wunsch wahr werden zu lassen.«
Dybbuk biss sich auf die Lippe. »Buck«, sagte er. »Nur Buck, okay?«
Philippa hatte eine Tabelle mit 24 Kästchen auf ein Blatt Papier gezeichnet; und in jedes dieser Kästchen hatte sie eine der Schlangen aus der verschlüsselten Botschaft übertragen oder das Kästchen frei gelassen.
»Laut Sherlock Holmes«, sagte sie, »ist ›E‹ der häufigste Buchstabe des Alphabets und taucht selbst in kurzen Sätzen öfter auf als alle anderen. Wenn wir uns die Geheimschrift ansehen, dann ist die Schlange, die
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