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Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra

Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra

Titel: Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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Verhalten gewohnt, das ist alles.«
    »Verstehe ich das richtig?«, sagte Philippa-2. »Willst du damit sagen, dass wir uns schlechter benehmen sollen?«
    »Nein.« Mrs   Gaunt lächelte unsicher. »So habe ich das nicht gemeint. Ich will nur nicht, dass ihr vor lauter Bravheit nicht mehr ihr selbst seid. Und ihr euren Lebensgeist verliert.«
    Ohne es zu wissen, hatte Mrs   Gaunt damit genau an den wunden Punkt der beiden Woanders gerührt: Ein Woanders hatte keinen Lebensgeist, aus dem einfachen Grund, weil er auch keine Seele besaß. Doch es gab nur einen einzigen Weg, wie Mrs   Gaunt hätte dahinterkommen können, dass dies auf die Zwillingszwillinge zutraf. Sie hätte mit ihnen auf den Dachboden gehen und sie in ihren Seelenspiegel blicken lassen müssen. Aber dieser Gedanke kam ihr gar nicht. Außerdem hatte sie natürlich etwas ganz anderes im Kopf, nämlich das kleine Problem, den Zwillingen nicht nur mitteilen zu müssen, dass ihre Großmutter gestorben war, sondern dass sie selbst sich bereiterklärt hatte, der nächste Blaue Dschinn von Babylon zu werden, und dass sie ihr Zuhause aus diesem Grund auf der Stelle verlassen musste. Und da ihr klar geworden war, dass Jenny Sacstroker Recht und es keinen Zweck hatte, länger um den heißen Brei herumzureden, kam Mrs   Gaunt geradewegs zur Sache und erzählte den beiden die Neuigkeit genau so, wie es ihre eigene Mutter vor Jahren getan hatte.
    »Und ich fürchte, es bedeutet, dass ich für immer von hier fortmuss«, sagte sie. »Ich muss euch und euren Vater verlassen und werde in Berlin leben. Und in Babylon natürlich. Jetzt gleich.«
    »Ich glaube, ich verstehe«, sagte Philippa-2 und wischte sich eine perfekte Träne fort. »Du hast es für mich getan, nicht?«
    »Nein, Philippa«, sagte Mrs   Gaunt. »Ayesha wollte immer, dass ich ihre Nachfolgerin werde. Nicht du. Es gibt keinen Grund, dich für das, was passiert ist, verantwortlich zu fühlen.«
    »Ich fand es damals schon ein bisschen merkwürdig«, fügte John-2 gefasst hinzu, denn er besaß natürlich alle Erinnerungen, die auch der echte John besaß. »Wie sich in Iravotum alles hinter den Kulissen geregelt hat.« Er hob die Schultern. »Das erklärt sich jetzt natürlich.«
    Der Blaue Dschinn lebte die meiste Zeit in Berlin. Doch Iravotum war jener seltsame Ort in Babylon, an den sie sich einmal im Jahr zurückzog, um ihr Herz zu verhärten.
    Die Zwillingszwillinge schwiegen, während sich jeder von ihnen eine angemessene Reaktion überlegte und bald zu dem Schluss kam, dass Mrs   Gaunt mit einem großen Gefühlsausbruch wohl kaum gedient wäre. Also entschieden sie, dass es das Netteste, Liebste und Selbstloseste wäre, wenn sie an Mrs   Gaunts Gefühle dachten statt an ihre eigenen und es ihr so leicht wie möglich machten, das zu tun, was sie offensichtlich tun musste.
    »Hast du es Dad schon gesagt?«, fragte John-2   Mrs   Gaunt.
    »Nein, noch nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst davor. Er ist nicht so stark wie ihr.«
    Um ehrlich zu sein, waren die beiden viel stärker, als sie angenommen hatte. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie Zwillinge waren, überlegte sie. Gemeinsam verfügen Zwillinge über eine innere Stärke, die niemand, der kein Zwilling ist, jemals besitzen oder verstehen kann. Mrs   Gaunt wurde klar, dass sie sich keine großen Sorgen hätte machen müssen,ihren Kindern die Wahrheit zu sagen. Bei Edward Gaunt war das etwas anderes. Warum war ihr das bis jetzt nicht bewusst gewesen? Es war ihr Mann, um den sie sich sorgen musste, nicht ihre Kinder. Was sollte aus ihm werden? Wie würde er zurechtkommen? Wie würde er es schaffen, ohne sie weiterzuleben?
    Immer noch in der fälschlichen Annahme, es handle sich um ihre geliebten Kinder, nahm Mrs   Gaunt die beiden Woanders in die Arme, küsste sie auf den Kopf, der bei beiden stark und völlig ungewohnt nach Shampoo duftete, und versuchte angesichts ihres Weggangs so tapfer wie möglich zu erscheinen. Denn sosehr sie die Stärke ihrer Kinder bewunderte, war sie dennoch ein wenig enttäuscht über ihre Reaktion – ein paar Tränen wären ihr durchaus recht gewesen.
    Mit einem Mal erriet sie, was vor sich ging. Und sie riet falsch.
    »Aber natürlich!«, rief sie und begann nun vollends zu weinen. »Natürlich. Deshalb habt ihr euch so perfekt benommen. Deshalb wart ihr so brav, nicht wahr? Und deshalb nehmt ihr euch jetzt so zusammen. Ihr wollt mir das Weggehen erleichtern. Ihr habt erraten, dass ich gehen

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