Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
ein wenig gastfreundlicher wurde.
»Ihr wollt sicher etwas Heißes trinken, nicht?«, fragte der Yeti.
»Wenn es keine Mühe macht«, erwiderte Groanin.
»Keine Mühe«, sagte der Yeti. Das Nächste, was er sagte, war »TOHUWABOHU«, was ein Fokuswort zu sein schien, denn kaum hatte das Wort seinen großen, vorstehenden Mund verlassen, als auch schon ein großes Tablett mit heißem Kaffee, Tee und Kakao, Sandwiches, Kuchen und Krapfen neben dem kleinen Quartett auftauchte.
»Dann sind Sie ein Dschinn«, stellte Philippa fest. »Genau wie wir. Na, zumindest drei von uns. Mr Groanin ist ein Mensch.«
»Erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte Groanin und nahm sich eine Tasse Tee. »Wir haben Sie für den Schrecklichen Schneemenschen gehalten.«
Der Yeti lächelte. »Ich
bin
der Schreckliche Schneemensch«, sagte er. »Ich komme schon seit Jahrzehnten in den Himalaja, um hier Ferien zu machen und alles andere hinter mir zu lassen. Eine Art Rückzug von der modernen Welt, verstehen Sie? Ich will in den Bergen wandern und klettern und die frische Luft genießen. Und die Einsamkeit natürlich. Einsamkeit ist mir im Urlaub sehr wichtig.« Er kicherte. »Ich fürchte, ich bin das, was man auf Englisch einen Eremiten nennt.«
»Wundert mich nicht«, sagte Dybbuk, den Mund voller Sandwich. »So, wie Sie aussehen, glaub ich kaum, dass Sie viele Besucher haben.«
Philippa schaute den jungen Dschinn missbilligend an. »Sei doch nicht so grob, Dybbuk.«
»Nein, nein«, sagte der Yeti. »Dein Freund hat ja Recht. Einer der Gründe, warum ich dieses Aussehen annehme, ist, Leute zu verscheuchen. Auch wenn das nicht der einzige Grund ist. Es gibt auch noch ganz praktische Aspekte. Ich habe diese Kreatur selbst entworfen, müsst ihr wissen.« Er zeigte ihnen seinen nackten, von einer Lederhaut überzogenen Fuß, der einfach riesig war. »Der Fuß eignet sich besonders gut zum Klettern. Die Beine natürlich auch. Und der Fellmantel hält mich bei jedem Wetter warm. Das ist natürlich alles nur für draußen. Drinnen sehe ich wesentlich respektabler aus.«
Und mit diesen Worten verwandelte sich der Yeti in einen Mann, der sich zackig vor ihnen verbeugte. »Gestatten, dass ich mich vorstelle? Ich bin Baron Reinhold von Renner. Vom Stamm der Jann.«
Der Baron war groß und blond, mit einem fast spitzbübischen Gesicht. Seine leuchtend blauen Augen funkelten fast noch mehr als der kleine Diamant, den er an einem Ohrläppchen trug.
»Dann handeln all die Mythen und Legenden über den Yeti in Wirklichkeit von Ihnen?«, fragte John, nachdem sie sich alle vorgestellt hatten.
»Ich fürchte, ja«, antwortete er mit einem Achselzucken. »Am Anfang war es ganz wirkungsvoll. Die Einheimischen hielten sich fern und ließen mich in Ruhe. Doch dann kamen Fremde, die Expeditionen unternahmen, um mich zu fangen. Natürlich bin ich immer nur im Winter für einige Wochenhier, deshalb ist es nicht leicht, mich aufzuspüren. Den Rest des Jahres verbringe ich in meinem Heim in Hohenschwangau.«
»Aber warum hierher?«, fragte Groanin. »Sie sind doch ein Dschinn, mit heißem Blut und all so was; ich hätte angenommen, dass es Sie irgendwo hinzieht, wo es warm ist.«
»Das Problem mit heißen Ländern und schönen Orten ist«, erklärte der Baron, »dass es dort von Touristen nur so wimmelt. Vor fünfzig Jahren bin ich nach Mallorca gefahren, auf die Malediven, nach Hawaii, Jamaika und die Jungferninseln.« Kopfschüttelnd verzog er das Gesicht. »Aber jetzt nicht mehr. Dort herrscht nur noch Kommerz. Alles verdorben. Also komme ich stattdessen hierher. Natürlich gibt es hier Trekker. Und hin und wieder Bergsteigergruppen. Aber der Annapurna ist nicht leicht zu besteigen. Besonders zu dieser Jahreszeit.« Er lächelte freundlich. »Das ist meine Geschichte. Wie sieht eure aus? Ich habe euren Wirbelsturm gesehen und mir gedacht, was passiert sein musste.«
»Wir waren von Kathmandu nach Lucknow unterwegs«, erzählte Philippa, »als uns ein Wind komplett vom Kurs abbrachte.«
»Die Kälte hat mir die Dschinnkraft genommen«, sagte John. »Deshalb musste ich notlanden.«
Der Baron nickte. »Das ist ein gängiges Problem bei Fluganfängern«, sagte er. »Ich fürchte, der Verlust der erforderlichen Betriebskörpertemperatur ist bei Dschinn quasi ein Berufsrisiko.«
»Und warum passiert Ihnen das nicht?«, fragte Dybbuk. »Es ist eiskalt hier oben.«
»Nun, zum einen ist es hier drinnen sehr warm«, sagte der Baron.
»Da haben Sie Recht«,
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