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Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra

Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra

Titel: Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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wenn ihr es selbst nicht könnt.«
    »Das ist wirklich sehr großzügig von Ihnen, Sir«, sagte Groanin. Unter den gegebenen Umständen hatte er nicht das Gefühl, das freundliche Angebot des Barons ablehnen zu können. Und er zweifelte nicht daran, dass sich die Wünsche auf der vor ihnen liegenden Reise als sehr nützlich erweisen würden. Gleichzeitig aber war er sich bewusst, welche Verantwortung drei freie Wünsche bedeuteten, noch dazu von einem so mächtigen Dschinn. Er hatte schon einmal drei Wünsche frei gehabt und wusste nur zu gut, wie sehr die damit verbundene Entscheidungsfreiheit und Verantwortung einen Menschen vor lauter Verantwortung und Entscheidungsfreiheit lähmen konnten. Es hatte ihn über alle Maßen erleichtert, als sein dritter Wunsch, nach fast zehn Jahren der Unentschlossenheit, endlich aufgebraucht war. Noch schlimmer aber war die Tatsache, dass man häufig überhaupt nicht abschätzen konnte, welche Folgen ein Wunsch haben würde. Wie Mr   Rakshasas immer sagte: »Einen Wunsch frei zu haben ist, wie ein Feuer anzuzünden. Man muss immer damit rechnen, dass der Rauch irgendjemanden zum Husten bringt.«
     
    Mit Hilfe des Barons (die auch wärmere Kleidung mit einschloss) setzten sie ihre Reise nach Lucknow fort und trafen dort wohlbehalten kurz nach Anbruch der Dunkelheit ein, sodass sie keine Gelegenheit hatten, den rosafarbenen Palast von der Luft aus zu sehen.
    Dybbuk, der sich inzwischen wieder wohl genug fühlte, um selbst zu fliegen, landete ein wenig außerhalb der Stadt am Südufer des trägen, von Unkraut bedeckten Gomti-Flusses. Ihre Gegenwart in Lucknow erregte nicht mehr Aufsehen alsihre Ankunft, denn Dybbuk hatte für ihre Landung nicht nur ein ruhiges Plätzchen gewählt; auf Anraten des Barons hatten sie sich zudem alle in Inder verwandelt. Das bedeutete nicht nur, dass Philippa einen
Sari
trug, das traditionelle Wickelgewand der indischen Frauen; oder dass Groanin und die beiden Jungen eine
Kurta
anhatten, das typische knielange Hemd indischer Jungen und Männer. Mit Dschinnkraft hatten sie sich zu schwarzen Haaren verholfen und auch ihre Haut war jetzt um mehrere Schattierungen dunkler. Außerdem hatten sie sich in die Lage versetzt, Hindi zu sprechen und zu verstehen, die offizielle Verkehrssprache Indiens. Aus Mr   Groanin wurde Mr   Gupta; John wurde zu Janesh, Philippa zu Panchali und Dybbuk zu Deepak. Ihr Wesen blieb dabei mehr oder weniger unverändert, obgleich es auch da einige feine Veränderungen gab. Zum Beispiel konnten die drei Kinder viel besser rechnen, da indische Kinder aus irgendeinem Grund in Mathematik einfach besser sind als andere. (Srinivasa Ramanujan, das vielleicht größte Rechengenie des zwanzigsten Jahrhunderts, war ein Inder.)
    Auch wenn es sich zunächst ein wenig seltsam anfühlte, Inder zu sein, gewöhnten sie sich schnell daran; und als sie in ihrem Hotel eintrafen, dem
Chuna Laga Diya
, fühlten sie sich bereits so indisch wie ein Kichererbsencurry. Schon bald war es ihnen sogar lieber so. Vor allem, als sie feststellten, dass die Einheimischen nicht mehr versuchten, ihnen irgendwelche Dinge zu verkaufen, weil sie reiche Touristen waren, sondern sie in Ruhe ließen.
    »Mir gefällt mein Haar in dieser Farbe«, sagte Philippa, die im Badezimmerspiegel des Hotelzimmers, das sie sich mitJohn teilte, ihr neues Aussehen begutachtete. »Außerdem würde ich am Strand nie so braun werden wie jetzt. Nicht in einer Million Jahren. In den Ferien werde ich immer nur rot wie eine Tomate.« Kritisch musterte sie ihren Bruder. »Und du – dir steht ein bisschen Farbe auch nicht schlecht. Du siehst damit viel besser aus.«
    »Findest du?« John kam zu ihr ins Bad und musterte sich kritisch. »Vielleicht. Weiß nicht. Solange die Leute uns nicht beachten, ist es mir egal, wie ich aussehe.« Doch das stimmte nicht; John freute sich ebenso darüber, ein Inder zu sein, wie seine Schwester.
    Die Freude der beiden Dschinnkinder war allerdings noch gar nichts im Vergleich zu Mr   Groanin, der zum ersten Mal in seinem Leben in der Lage war, fremdes Essen zu essen. Denn nicht nur sein Äußeres war indisch geworden, sondern auch sein Inneres und vor allen Dingen sein empfindlicher Magen. Er schaffte es sogar, einen von einem Straßenhändler über einem Dungfeuer zubereiteten Kebab zu essen, was er als anständiger englischer Butler niemals fertiggebracht hätte.
    »Ich weiß gar nicht, warum ich mich vor fremdem Essen so gefürchtet habe«, gab Groanin zu.

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