Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
»Wenn es so gut schmeckt wie das hier. Ich darf gar nicht dran denken, was mir in all den Jahren entgangen ist.«
»Sind Sie sicher, dass ich Sie nicht doch zu einem Gläschen Babynahrung überreden kann?«, fragte Dybbuk.
»Babynahrung?«, rief Groanin und bestellte einen weiteren Maiskolben. »Diese Kinderpampe will ich mein Lebtag nicht mehr sehen.«
Der Mann, bei dem sie diesen kleinen Imbiss erstanden, warihnen noch auf andere Weise behilflich; er konnte sie nämlich über die rosa Festung auf Dybbuks Bild von der East India Company aufklären.
»Das ist der berühmte Jayaar-Sho-Aschram «, sagte er. »Er wurde vom Sadhguru Masamjhasara gegründet und ist eines der berühmtesten Zentren für Yoga und Meditation in ganz Indien. Er liegt gleich außerhalb der Stadt, südlich vom Charbagh-Bahnhof, an der Straße nach Kanpur. Ihr könnt ihn nicht verfehlen. Und zwar nicht nur wegen der Farbe. Nein, nein. Ihr müsst nur den ganzen Engländern und Amerikanern folgen, die dorthin pilgern, um nach Antworten zu suchen.« Der Mann kicherte und machte sich daran, auf seinem schwelenden Dunghaufen einen weiteren Maiskolben zu braten. »Und um ihr Geld loszuwerden natürlich. Der Guru ist sehr reich.«
»Antworten?«, sagte Dybbuk. »Was für Antworten?«
Der Mann zuckte die Achseln. »Gute Frage«, sagte er. »Das solltest du sie vielleicht selbst fragen, wenn du dort bist.«
Am nächsten Morgen bestiegen Groanin und die drei jungen Dschinn einen Bus, der zum Flughafen und weiter nach Süden fuhr. Auch mehrere westlich aussehende Reisende wollten in diese Richtung. Sie waren trotz ihrer safranfarbenen Mönchsgewänder und Bettlerlatschen an der hellen Haut und dem abwesenden Lächeln leicht zu erkennen. John sprach einen der jungen Mönche an. »Wollen Sie zum Jayaar Sho?«, fragte er ihn.
»Ich lebe dort. Ich bin ein
Sannyasin
. Ein Schüler des Gurus Masamjhasara.«
»Aber Sie kommen aus den Vereinigten Staaten, nicht?«
»Richtig. Aus Cleveland, Ohio.«
»Und warum sind Sie hier, wenn ich das fragen darf?«, erkundigte sich John bei dem
Sannyasin,
dessen Stimme ihm irgendwie bekannt vorkam.
»Natürlich darfst du. Yoga, Meditation, Erleuchtung – der ganze Aschram ist eine Quelle der Energie, die von denen gespeist wird, die dort in tiefe Meditation versinken. Selbst Leute, die von Meditation nichts verstehen, erleben dort einen meditativen Zustand.« Er lächelte glücklich und ein wenig abwesend vor sich hin. »Und wo kommst du her, Junge? Du sprichst hervorragend Englisch.«
John zuckte nur die Schultern.
»Wir kommen hier aus der Gegend«, erklärte Dybbuk. »Wir lernen in der Schule Englisch. Und ich sehe mir im Fernsehen viele amerikanische Filme an. Das ist einer der Gründe, warum mein Dad –«, er nickte in Groanins Richtung, »– Mr Gupta. Er will, dass wir uns den Aschram ansehen. Er überlegt, mit uns dorthin zu ziehen. Damit unsere Energien in eine spirituelle Richtung gelenkt werden.«
Das war die Version, auf die sie sich verständigt hatten, ehe sie an diesem Morgen aus dem Hotel gegangen waren, um ihrem Glück im Aschram vielleicht ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Und niemand konnte das besser ausdrücken als Dybbuk. In Palm Springs gab es immer irgendwelche reichen Hollywood-Leute, die das Wochenende in der Kurklinik seiner Mutter verbrachten; und mit dem, was sie über ihre Gurus und Yogalehrer von sich gaben, kannte er sich bestens aus. »Er möchte, dass wir mal richtig spirituelle Energie tanken.«
»Ich führe euch gern herum«, sagte der
Sannyasin
. »Mein amerikanischer Name ist übrigens Joey Ryder.«
»Hast du Joey gesagt?«, fragte John.
»Ja, aber hier im Aschram heiße ich Jagannatha«, sagte Joey. »Wie der Gott Krishna.«
»Sag mal, äh, Jagannatha, betreibt ihr im Aschram vielleicht ein Callcenter? Beratet ihr Leute am Telefon, wie sie ihre Computer konfigurieren sollen oder so was?«
»Ja, tun wir«, sagte Jagannatha. »Das Callcenter ist eine der Einnahmequellen des Aschrams.«
John nickte. Es war Joey gewesen, der ihm die schrecklichen Ratschläge gegeben hatte, wie er die Software auf seinem neuen Laptop installieren sollte, den er zum Geburtstag bekommen hatte. Er lächelte verhalten. »Schön, dich kennen zu lernen, Jagannatha«, sagte er. »Ich heiße Janesh. Das hier sind mein Bruder Deepak und meine Schwester Panchali.«
»Freut mich ebenfalls.«
»Es wäre toll, wenn du uns den Aschram zeigen würdest«, sagte Dybbuk. »Was hast du
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