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Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra

Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra

Titel: Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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zu tun – vor allem, nachdem er es am eigenen Leib erfahren hatte.
    Den Zwillingen war es nur recht, dass ihr Aufenthalt im Jayaar-Sho-Aschram in der rosa Festung von Lucknow nicht allzu lange dauern würde. Ansonsten hätten sie dem Guru wohl erklären müssen, was sie von jemandem hielten, der seine Anhänger zu solchen Gemeinheiten gegen unzählige normale Menschen ermunterte.

Das Kind im Brunnen

    Die Nacht war wie gemacht für die geheime unterirdische Aufgabe, die vor ihnen lag. Ein voller, fast violetter Mond erhellte das holprige Pflaster des Hofes, in dem sich der alte Brunnen befand. Fledermäuse huschten um die Zinnen der inneren Festungsmauer, doch abgesehen von ihren hohen, fast unhörbaren Schreien war die Nacht ruhig. Die drei Kinder und Mr   Groanin mussten den Brunnenschacht mit größter Heimlichkeit erforschen, da jedes Geräusch auf dem Hof ein Echo auslöste und die Gefahr heraufbeschwor, dass man hinter einem der hell erleuchteten Fenster auf sie aufmerksam wurde. Jagannatha hatte ihnen erzählt, dass hinter diesen hohen Fenstern der Guru höchstpersönlich lebte, in einer außerordentlich luxuriösen Wohnung.
    Um den Brunnen näher auszukundschaften, ließen sie einen Stein in den Schacht fallen und zählten bis fünfzehn, ehe sie in der düsteren Tiefe ein leises Klatschen hörten.
    »Der muss über dreißig Meter tief sein«, meinte John.
    »Eher um die fünfzig«, flüsterte Groanin. Nervös schüttelte er den Kopf. »Teufel auch. Ich wette, der Brunnen könnte so einige Geschichten erzählen.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Dybbuk nervös, denn erhatte angeboten, sich in dem fassgroßen Metalleimer hinabzulassen, der auf dem Steinpodest des Brunnens stand.
    »Ich hab mich in der Bibliothek des Aschrams ein wenig schlau gemacht über die rosa Festung«, sagte Groanin. »Offensichtlich haben die britischen Streitkräfte nach der Meuterei Dutzende armer Inder in den Brunnen geworfen.« Er machte eine bedeutungsschwere Pause. »Lebendig

    Dybbuk schluckte, und auf dem hallenden Hof klang das so laut wie das Kollern eines Truthahns.
    »Scheinbar haben sich manche sogar freiwillig hinuntergestürzt, um einem noch schlimmeren Schicksal zu entgehen«, fuhr Groanin fort, ohne recht zu ahnen, was er damit bei Dybbuk anrichtete. »Das muss allerdings passiert sein, lange nachdem Colonel Killiecrankie das Amulett im Brunnen versteckt hat. Ich bezweifle, dass er den Mumm gehabt hätte, in den Schacht zu klettern, wenn der mit Leichen vollgestopft gewesen wäre.«
    »Was ist mit ihnen passiert?«, fragte Dybbuk, der in die kalte, dunkle Tiefe hinabstarrte und sich ausmalte, wie jemand dort in den Tod stürzte. Er konnte sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen. »Mit all den Leichen   … Sind sie immer noch dort unten?«
    »Sie wurden fortgeschafft, als die Briten beschlossen, die Festung wieder zu bemannen«, sagte Groanin und ließ noch einen Stein in den Brunnen fallen. Diesmal klang das Klatschen eher wie das Stöhnen eines der armen indischen
Sepoys
, die dort unten den Tod gefunden hatten. »Fortgeschafft und wieder begraben, damit die Briten das Wasser nutzen konnten. Jedenfalls steht es so im Buch.«
    Groanin schwang den Eimer über den Rand und trat mit dem Fuß auf die Bremse, mit der er den Kübel schneller oder langsamer hinablassen oder auch ganz anhalten konnte. »Na dann«, sagte er. »Dybbuk, du gehst runter, oder?«
    Selbst im Schatten des kleinen steinernen Brunnenpavillons, in dem sie standen, konnten John und Philippa sehen, wie Dybbuk der Mut für dieses Abenteuer verließ. Sie konnten ihm keinen Vorwurf machen. Jedenfalls nicht nach Groanins gedankenloser Geschichte. Der Brunnen war so kalt, feucht und unheimlich wie eine Gruft oder ein Gewölbe, und es fiel nicht schwer, sich vorzustellen, dass in seinen Tiefen noch immer irgendein schreckliches Gerippe lauerte. Wer immer in dem Eimer hinabgelassen wurde, brauchte dafür Nerven aus Stahl.
    Der Kübel hatte die Größe einer Mülltonne und war an einem dicken Seil befestigt. Das Seil lief auf eine große Trommel, die auf einer uralt aussehenden Achse quer über dem Brunnen saß. Am Achsenende war eine schwere hölzerne Kurbel befestigt, mit der die ganze Seilwinde gedreht und der Kübel angehoben oder abgesenkt wurde. Sosehr sie sich auch anstrengten, fiel weder Philippa noch John oder Dybbuk ein, wie sie sich mit Hilfe von Dschinnkraft auf andere Weise in den Brunnen hinablassen konnten, um auch den letzten Teil von

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