Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya
Doktor. Als Nächstes soll ich Ihnen wahrscheinlich drei Wünsche erfüllen.«
»Oh, keine Sorge, dazu komme ich noch.« Hynkell schüttelte den Kopf. »Alles zu seiner Zeit. Aber weißt du was? Als ich noch ein Junge war, schienen mir drei Wünsche nie genug zu sein.«
»Sie sind wohl wirklich ein typischer Nazi«, sagte John.
Hynkell lächelte und schlug John dann mitten ins Gesicht; so fest, dass der Dschinnjunge vom Stuhl fiel.
John rappelte sich auf, rieb sich die Wange und setzte sich wieder hin. »Ich versuche zu begreifen«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, »aus welchem Grund ich einem Nazi wie Ihnen drei Wünsche erfüllen sollte. Immer vorausgesetzt, dass ich so etwas überhaupt kann.«
»Um mich davon abzuhalten, deinen zahmen Wolf zu quälen, natürlich«, sagte Hynkell.
»Und was sollte mich davon abhalten, Sie in einen Hasen zu verwandeln?«
»Das muss ich noch herausfinden. Aber irgendwas hält dich ab. Ich vermute, dass es die Nähe von Shamba-La ist. Der Ort hat auf alles eine merkwürdige Auswirkung.« Hynkell nickte. »Ja, natürlich, das muss es sein. Shamba-La wirkt sich auf dich genauso aus wie auf alles andere.«
John zuckte die Schultern, fragte sich aber insgeheim, ob Hynkell vielleicht recht hatte. Sein Kopf war wieder klar, und im Zimmer schien es warm genug zu sein, um seine Dschinnkraft zu bündeln. Doch aus irgendeinem Grund vermochte er seine Kraft immer noch nicht einzusetzen. »Vielleicht. Wo ist es überhaupt, dieses Shamba-La?«
»Zwei Kilometer entfernt. Auf der anderen Seite des Kraters.«
»Warum bitten Sie dort nicht um drei Wünsche? Oder was immer hier so üblich ist.«
Dr. Hynkell stieß ein hohles Lachen aus. »Meinst du, das hätten wir noch nicht versucht?«, sagte er. »Aber sie haben uns kein einziges Mal hineingelassen. Nicht, ohne einen wirklich glücklichen Menschen dabeizuhaben. Und, nun ja …« Er zuckte die Achseln. »Wer kann heutzutage schon von sich behaupten, wirklich glücklich zu sein? Vor allem jetzt, wo wir in Tibet sind. Unter Hitler verbessert sich die Lage, das ist wahr. Und es gibt niemanden unter uns, der nicht lieber in Deutschland wäre.«
»Warum sind Sie dann hierhergekommen?«
»Weil letztes Jahr …«
»Das heißt also 1937?«, stellte John klar und ließ den Nazi gewähren.
»Natürlich 1937.« Hynkell nickte irritiert. »Letztes Jahr gab uns S S-Reichsführer Himmler den Befehl, Shamba-La zu finden«, sagte er. »Außerdem gab er uns zu verstehen, dass wir nicht zurückkehren dürfen ohne einen Beweis dafür, es gefunden zu haben. Unter keinen Umständen.«
»Wenn Sie ihm erklären, wie die Dinge hier stehen«, sagte John, »wird er es sicher verstehen.«
»Du kennst Reichsführer Himmler nicht«, sagte Hynkell. »Er ist kein sehr verständnisvoller Mensch.«
»Und was erwartet er von Ihnen hier oben zu finden?«
John achtete sorgsam darauf, im Präsens zu reden, als wäre Himmler noch am Leben, obwohl er in Wirklichkeit 1945 Selbstmord begangen hatte. Aber John ging nicht davon aus, dass Dr. Hynkell ihm das glauben würde.
»Uns wurde ausdrücklich aufgetragen, uns Dokumente über paranormale Kräfte in Tibet zu verschaffen, Beweise für ein gemeinsamesideologisches Erbe von Adolf Hitler und Buddha und für das Geheimnis des ewigen Lebens.«
»Das ist alles?«, fragte John.
Zum Glück bemerkte der Nazi seinen Sarkasmus nicht. Sonst hätte er womöglich noch einmal zugeschlagen.
Stattdessen sagte er: »Das ist alles. Was sollte es sonst noch geben?« Doch dann verzog er das Gesicht. »Abgesehen von dir natürlich. Bisher sind wir mit unserer Mission nicht vorangekommen, weil sie uns in Shamba-La nicht hineinlassen. Aber du könntest in Himmlers Augen das sein, was Shamba-La am Nächsten kommt. Ja, warum nicht? Mit einem echten Flaschengeist im Gepäck können wir vielleicht endlich nach Hause zurückkehren. Vorausgesetzt, es gelingt uns, dich sicher nach Deutschland zu bringen. Womöglich bist du schwerer unter Kontrolle zu halten, wenn wir diesen Ort und seinen seltsamen Einfluss erst einmal verlassen haben.«
»Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, dass Himmler von mir und meinem fliegenden Teppich ebenso wenig begeistert sein könnte wie mein Vater in Lhasa? Vor allem, wenn es uns in Berlin nicht gelingt abzuheben«, sagte John.
»Ich habe dir gesagt, dass ich diese Geschichte nicht glaube.«
»Aber Sie glauben, dass Himmler Ihre Geschichte glauben wird?«
»Warum nicht? Er hat uns
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