Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya
enger,gewundener Gassen, Minarette und fremder Gerüche, die nicht immer die angenehmsten waren. Männer in langen gestreiften Kapuzengewändern standen an den Straßenecken, schrien sich an und fuchtelten mit den Händen, während die Frauen so gut wie unsichtbar waren. Überall tönte aus Bars, Läden oder offenen Wagenfenstern der mitreißende Klang arabischer Musik.
Nimrod trug dem Fahrer, einem gut aussehenden Marokkaner mit dem Namen Saadi, auf, sie in den neuen Teil der Stadt zu fahren. Als sie zu einer eleganten Allee kamen, erklärte er, dass sie das Morisco-Palace-Hotel vor sich hätten.
»Es ist das beste Hotel Marokkos«, verkündete er. »Womöglich sogar das beste Hotel in ganz Nordafrika. Was man angesichts der gewaltigen Zimmerpreise auch erwarten darf.«
»Wunderbar«, sagte Groanin, der John zuzwinkerte und den Türgriff packte. »Ich komme, Zimmerservice.«
»Und genau aus diesem Grund werden wir nicht hier wohnen«, fügte Nimrod hinzu.
»Wie bitte?«, sagte Groanin.
Nimrod befahl Saadi weiterzufahren.
»Du meinst, wir bleiben nicht hier?«, fragte Philippa.
»Mir ist klar geworden, dass ich dir und John einen falschen Eindruck davon vermittelt habe, wie es auf der Welt zugeht«, erklärte ihr Nimrod. »Das war nicht richtig von mir. Ich habe nur an meinen eigenen Komfort und meine Bequemlichkeit gedacht statt an eure Erziehung.«
»Was soll das heißen?«, fragte Groanin.
»Das heißt, dass wir woanders wohnen werden«, sagte Nimrod.
»Und
wo
?«, fragte My, als sich der Wagen dem Rand der Sahara-Wüste näherte.
Sie blieben vor einem Gebäude stehen, das aussah wie eine Kreuzung aus Pyramide und Wolkenkratzer.
»Hier«, sagte Nimrod. »Einhundertfünf Stockwerke hoch, dreitausend Zimmer. Willkommen im weltberühmten Hotel El Moania.«
»Sieht aus wie eine Raketenabschussbasis«, stellte My fest. »Schauderhaft.«
»Und warum ist es weltberühmt?«, fragte eine unsichtbare Stimme, die Zagreus gehörte.
»Aus dem einfachen Grund, weil es ohne jeden Zweifel das schlechteste Hotel der Welt ist.« Nimrod lächelte My an. »Kein Grund zur Besorgnis, meine Liebe; wenn ich mich recht entsinne, haben Sie von gestern immer noch einen Wunsch frei.«
»Ist das so?«
»Unbedingt«, sagte Nimrod. »Wir vergeben immer drei Wünsche auf einmal, um eine Ausgewogenheit zu schaffen, in der zwei mögliche Gegensätze eingeschlossen und miteinander vereint werden können.«
»Ich habe mich schon immer gefragt, was der Grund dafür ist«, sagte My fröhlich.
»Das schlechteste Hotel der Welt?«, fragte John erbost. »Wie soll das unserer Erziehung nützen?«
»Ich habe die Erfahrung gemacht«, sagte Nimrod, »dass man die schönen Dinge des Lebens nur dann wertschätzen kann, wenn man auch mit den Widrigkeiten des Lebens Bekanntschaft gemacht hat. Und ihr könnt mir glauben, in ganz Nordafrika gibt es keine größere Widrigkeit als das Hotel El Moania.«
»Das sehe ich«, stellte Philippa fest. »Aber meinst du nicht, dass uns allen damit gedient wäre, wenn wir uns beim Abschied einfach herzlich bedanken?«
»Nein«, sagte Nimrod.
»Also, das mache ich nicht mit«, stellte sich Groanin stur. »Ich miete mich woanders ein. Jawohl, das mache ich. In dem Hotel, wo wir gerade waren, zum Beispiel.«
»Und womit bezahlen Sie?«, fragte Nimrod. »Im Morisco Palace kostet das Zimmer tausend Dollar die Nacht. Wie viel auch immer das in der hiesigen Währung sein mag, die übrigens Dirham heißt, ich würde vermuten, dass Sie nichts bei sich haben, was man hier in der Gegend für Geld halten würde.«
»Dann besorge ich uns welches mit Dschinnkraft«, sagte John.
»Zeig’s ihm, John«, sagte Groanin. »So ist es recht.«
Nimrod lächelte. »Tu das, mein lieber Neffe«, sagte er und öffnete die Wagentür.
John zwinkerte Groanin zu. »Keine Sorge«, sagte er zu dem Butler. »Sie können sich auf mich verlassen. Ich regle die Angelegenheit. Sie werden sehen. In ein paar Minuten checken wir im Morisco Palace ein.« Doch als John den Mund aufmachte, um sein Fokuswort auszusprechen, stellte er fest, dass er dazu nicht in der Lage war. »Ab – ab – ab – ab –«
Es war nicht so, dass er es vergessen hätte, er konnte es nur nicht aussprechen.
»Dein Wort ist ABECEDERISCH«, sagte Groanin. »Ich sagte ABECEDERISCH.«
»Ab – ab – ab – ab –« John schüttelte den Kopf. »Was ist passiert? Ich kann mein Fokuswort nicht aussprechen.« Hilflos sah er Philippa an, die mit dem gleichen
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