Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
»Zurückrufen? Was?«, stammelte er endlich.
»Deinen Wasser-Elementon natürlich!«, sprudelte Utug. Dampf entströmte seinem Körper, und sein Braun wurde langsam zu Grün. »Ruf ihn zurück. Bitte! Bin schon jahrelang nicht mit Wasser in Berührung gekommen. Ich halte das nicht aus! Nein, ich halt’s nicht aus!« Und ehe John noch ein Wort sagen konnte, rannten beide Dämonen davon, gefolgt von der Regenwolke, die weiterhin ihre Wassermassen über ihnen ausschüttete.
John lachte. Hoffentlich heftet sich der Wasser-Elementon für ein, zwei Tage an ihre Fersen, dachte er. Und so geschah es tatsächlich.
»Hätte nie gedacht, dass ich mich mal so über eine Regenwolke freuen kann«, bemerkte Groanin. »Sie war tatsächlich unsere Rettung. Aber woher, zum Kuckuck, ist sie gekommen? Du hast sie herbeigewünscht, wie?«
Mr Rakshasas in seiner Flasche war nicht weniger überrascht als Groanin, aber vor allen Dingen machte er sich Sorgen, Ayesha könnte nun von Johns Anwesenheit im Irak wissen.
»Ich hab nichts gemacht«, beteuerte John. »Ich hab mein Fokuswort ganz bestimmt nicht ausgesprochen. Und dass Dschinnkräfte aus meinem Körper gewichen sind, als der Regen kam, habe ich auch nicht gespürt.«
»Wie auch immer«, sagte Groanin. »Ich habe ja gesagt, dass ich den Regenschirm brauchen werde.«
Allerdings ahnte John inzwischen, wie der Regen zustande gekommen war. Er erzählte Mr Rakshasas von Dybbuk und dem Wasser-Elementon, zu dem John und Philippa dem Jungen unabsichtlich verholfen hatten. »Der muss die ganze Zeit bei mir gewesen sein.«
»Dann haben wir großes Glück«, sagte Mr Rakshasas, »dass niemand daran gedacht hat, den Elementon rückgängig zu machen. So wird nämlich üblicherweise mit einem Elementon verfahren. Und du hast ganz Recht, John: Den beiden einen Wasser-Elementon auf den Hals zu hetzen, hat dich keinerlei Dschinnkräfte gekostet. Ausreichend war allein dein Gedanke, die beiden Dämonen sollten einen Regenguss abbekommen. Und weil der Elementon vorher schon existiert hat, wird Ayesha ihn nicht weiter beachten.«
John schälte sich die nassen Klamotten vom Leib und wrang sie aus. Groanin tat es ihm nach. »So«, sagte er mit einem Blick in die Richtung, in der Darius geflohen war. »Machen wir uns also auf die Suche nach Michael Schumacher, damit wir endlich weiterfahren können. Und iss ja keine Heuschrecken mehr! Wir dürfen nicht noch jemandem auf die Zehen treten.«
Philippa Gaunts Tagebuch
ERSTER TAG: Ich habe mir vorgenommen, zu meiner Unterhaltung dieses Tagebuch zu führen, solange ich eine Gefangene in Ayeshas fremdem unterirdischen Palast bin …
Unterirdisch, sage ich, aber ich kann es nur schwer glauben, so groß ist dieses Gebäude. Und weil der Himmel vor den Fenstern ganz ungewöhnlich aussieht, kann man sich kaum vorstellen, dass so etwas unter der Erdoberfläche existieren soll …
Ich hoffe, dass mir mit Tagebuchschreiben die Zeit hier schneller vergehen wird und dass ich mit seiner Hilfe feststellen kann, ob ich tatsächlich so kalt denkend und hartherzig werde wie Ayesha; sie hat gesagt, so wird es kommen, wenn ich lange genug hier bin. Auf Miss Glovejobs Apfelsaft, der aus den Früchten des Baumes der Logik gepresst ist, kann ich zwar verzichten. Aber atmen muss ich schließlich – und die Luft hier ist verseucht von den Blüten dieses Baumes. Was John wohl an meiner Stelle tun würde? Vermutlich nicht das Richtige. Aber etwas Außergewöhnliches, könnte ich mir vorstellen. Ich habe das Gefühl, dass er nicht allzu weit weg ist, und es würde ihm ähnlich sehen, wenn er versuchte, mich zu befreien. Hoffentlich täusche ich mich nicht.
Nachdem ich damals im Durbar-Raum mit Ayesha gesprochenhatte, war ich wütend und voll wilder Gefühle. Ich rannte die Treppen rauf und runter, trat gegen die Wände und schrie aus Leibeskräften; aber nach einer Weile schlug die ganze Hilflosigkeit meiner Situation über mir zusammen. Ich ging in mein Zimmer und setzte mich, um meinen nächsten Schritt zu überlegen. Es war offensichtlich, dass mich meine Dschinnkräfte verlassen haben. Sollten sie aber je zurückkehren und sollte ich diesen elenden Trottel Izaak Balayaga noch einmal sehen, dann werde ich ihn in ein Schnabeltier verwandeln: eins der primitivsten Säugetiere. Das passt sehr gut zu ihm, finde ich, denn ein Schnabeltier ist einerseits gefährlich – es hat Giftsporen an den Hinterbeinen, die anscheinend sogar einen Hund töten können –
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