Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
«Mein Junge, ich bin mir nicht sicher, ob Ihr das verstehen könnt», sagte er schließlich, «aber an die Dinge, die im Juli 1545 geschehen sind, erinnere ich mich nur sehr verschwommen. Alles war… wie ein Wahn. Ihr müsst wissen, mein Bruder ist mir sehr nahegestanden. Als er so furchtbar sterben musste, mit seiner Frau und dem armen Jungen, da war es, als ob irgendetwas in mir zerrissen wäre. Alles, was ich tat, tat ich mit der Gefühl440
    losigkeit eines perfekt funktionierenden Uhrwerks. Wenn ich an den Archimède Degrelho zurückdenke, der die Antonius-Jünger vernichtet hat, dann ist es oft, als denke ich an einen Fremden und nicht an mich selbst.»
    «Was wollt Ihr damit sagen? Dass Ihr bereut, was Ihr getan habt?», rief Fabiou überrascht. Das war ziemlich vorlaut und dem Verhalten eines Jungen seines Alters einem Erwachsenen gegenüber gewiss nicht angemessen, Baroun hin oder her. Doch erstaunlicherweise schien Degrelho diesen Umstand gar nicht zu registrieren; den Blick fest auf die Mähne seines Schimmels gerichtet sagte er: «Ich bereue nicht, diese Gegend von den AntoniusJüngern befreit zu haben, denn sie waren eine Plage für uns alle. Aber ich bereue, es so getan zu haben. So… ohne jedes Maß, ohne jede Reflexion. Wie ein wildes Tier im Blutrausch. Ich ekle mich vor mir selber, wenn ich daran zurückdenke. Auch Maßlosigkeit ist eine Todsünde, Baroun.» Er hob den Kopf und seine schwarzen Augen richteten sich verträumt auf Fabiou, der verlegen an einem Knopf herumnestelte. Er hatte ja eigentlich nicht gleich Degrelhos Lebensbeichte hören wollen. «Nicoulaus Sohn…» Der Senher d’Astain starrte durch Fabiou hindurch, als wäre er nur ein Nebelschleier. «Ich erinnere mich ganz dunkel. Einer der Banditen hatte einen Sohn, der gefangen genommen wurde. Er war plötzlich verschwunden. Niemand sah ihn wegrennen oder beobachtete, dass er getötet wurde, aber als man in Ate ankam und die Gefangenen überprüfte, fehlte er einfach. Es war etwas peinlich, man versuchte, möglichst wenig Aufsehen darum zu machen», fügte er mit einem Lächeln hinzu.
    Voll ins Schwarze! «Ich hoffe, ich belästige Euch nicht mit meinen Fragen, aber – erinnert Ihr Euch, wie das Wort Santonou bei der Leiche Eures Bruders geschrieben war? Wirklich mit Blut?»
    «Ja.» Degrelho sah ihn seltsam an. «Eigentümliche Fragen. Was interessiert Euch diese alte Geschichte denn so?» Das Horn in der Ferne. «Fuchs tot», erklärte Artus de Buous mit Kennermiene.
    «Nun – ich möchte einfach die Wahrheit über die Morde herausfinden», sagte Fabiou. «Die ganze Wahrheit. Und dazu gehört es, einige Ungereimtheiten bei dieser Geschichte aufzuklären», meinte er wichtig. 441
    «Was für Ungereimtheiten denn?», fragte Degrelho.
    «Nun, da ist dieser Brief von diesem deutschen Kaufmann…»
    Wieder das Horn. «Hört Ihr? Sau tot!», schrie Artus de Buous aufgeregt, und Unruhe erstand in der Gruppe. «Sau? Echt? Ein Wildschwein, meint Ihr?»
    «Blödsinn, von wegen Sau tot!», rief Roubert de Buous. «Sau tot ist tätatätatätatätatää, und das eben war tatätatatätatatä. Ein Greifvogel.»
    «Stimmt ja gar nicht! Greifvogel wäre doch tatatatätatätatätatä», protestierte sein Bruder.
    «Ein Brief?», fragte Degrelho erstaunt.
    «Ja. Ich habe ihn bei der Leiche gefunden. Es geht da um so eine komische Geschichte von Verrat und Versündigung und…»
    «Hört Ihr das?», kreischte Artus. «Bär tot!»
    «Bär?», fragte Degrelho entgeistert. «In der Keyrié gibt es schon seit Hunderten von Jahren keine Bären mehr.»
    Jetzt kannte die Gruppe doch kein Halten mehr. Neugierde ist bisweilen stärker als die Liebe. Die Pferde wurden angetrieben, und kurz darauf erreichte man eine Lichtung, auf der der Bonieus gerade mit lautem Gebrüll Jean de Mergoult abkanzelte. «Bär tot!
    Dieser Vollidiot bläst Bär tot, weil er irgendeinen blöden Vogel geschossen hat! Das darf doch wohl nicht wahr sein! Euch dumme Bengels sollte man nicht zu einer Jagd zulassen, verdammt noch mal!»
    «Aber ich bin mir ganz sicher, dass das das richtige Signal war, nicht wahr, Andréu?», verteidigte sich der jüngere Mergoult erbost. Der junge Estrave nickte heftig. «Jawohl. Tätatatätatätatäää. Greifvogel tot.»
    «Greifvogel?» Der Bonieus wedelte etwas Schwarzes durch die Luft, das auf dem Bolzen einer Armbrust steckte. «Das ist ‘ne gottverdammte Krähe, ihr Ignoranten!»
    Gekicher aus den Reihen. Jean de Mergoult war puterrot und

Weitere Kostenlose Bücher