Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
Hasen und Rebhühner, während die zweite Gruppe verbissen versuchte, nicht den Anschluss zu verlieren. War die Gemütslage in der letzten Gruppe von heiterer Ausgelassenheit geprägt, herrschte in der ersten eine eigentümliche Kombination aus zur Schau getragener Lässigkeit und konzentriertem Konkurrenzkampf. In der zweiten Gruppe war die Stimmung dafür bloß
    438
    mies. Die frustrierten Möchtegern-Jagdexperten schossen wenig erfolgreich auf alles, was sich bewegte, um ihre verzweifelten Diener dann den im Gebüsch verschollenen Armbrustbolzen hinterherzuhetzen. Die Treffsicherheit nahm im gleichen Maß ab, wie die allgemeine Gereiztheit zunahm.
    Fabiou hatte sich in weiser Voraussicht der letzten Gruppe angeschlossen, in der seine beiden Schwestern glucksend mit den Buous-Brüdern schäkerten – die beiden waren an der Jagd nur mäßig interessiert, jagen konnte man in Buous das ganze Jahr, aber wann traf man schon mal so viele hübsche Edelfräulein auf einmal!
    Dafür hatte Fabiou mehrere stichhaltige Gründe: Erstens war er sich nicht so ganz sicher, wie herum man eigentlich eine Armbrust hielt, zweitens kämpfte Jean de Mergoult in der zweiten Gruppe mit
    – fluchend, seit sein Bruder wie ein Pfeil am Horizont verschwunden war –, und drittens bildete Archimède Degrelho als guter Gastgeber die Nachhut, was wahrhaft eine einmalige Gelegenheit war. Er ließ sich so weit zurückfallen, dass er fast auf einer Höhe mit Degrelho ritt und beobachtete ihn verstohlen aus dem Augenwinkel. Er war eine stattliche Erscheinung. Kräftig, ohne aber behäbig oder gar dick zu wirken, eisgraue Haare, ein ernstes, angenehmes Gesicht, und tiefschwarze Augen. Er überlegte, wie alt Degrelho wohl war. Etwa in Frederis Alter, entschied er. Vierzig, höchstens fünfundvierzig. Neben dem Senher d’Astain ritt schicklich im Damensitz seine Gattin. Ihr war anzusehen, wie sehr dieser Ausritt sie belastete, man hatte das Gefühl, dass sie sich trotz des gemächlichen Tempos nur mit Mühe im Sattel hielt. Obwohl sie an sich nicht älter sein konnte als die Dame Castelblanc, wirkte sie alt und verbraucht; ihr Gesicht war aufgedunsen und von einer ungesunden grünlichen Blässe, um die Augen hatten sich Krähenfüße eingegraben. Nun, es war bekannt, dass sie krank war, wenn Fabiou auch keine Ahnung hatte, um welche Art Krankheit es sich handelte. Docteur Grattou, der die Aubans medizinisch betreute, hätte vermutlich eine humorale Dyskrasie, also ein schweres Ungleichgewicht der Körpersäfte, diagnostiziert. In der Ferne erklang ein Hornsignal. «Rotwild erlegt», verkündete Roubert de Buous den Mädchen. Fabiou nutzte einen Moment, in dem die Dame d’Astain durch ein höfliches Gespräch mit einem 439
    Gast abgelenkt war, und schob sich näher an Archimède Degrelho heran. «Senher», fragte er höflich, «gestattet Ihr mir eine Frage?»
    «Ah, der junge Baroun de Bèufort! Selbstverständlich, mein Junge, schießt los.»
    «Senher», Fabiou holte tief Luft, denn er rechnete bereits mit einer abweisenden Antwort, wie er sie ja immer erhielt, «was denkt Ihr eigentlich, wer hinter den Morden steckt?»
    Allzu überraschend kam die Frage sicher nicht; der Mord an Bossard und dem Notar Austelié war Stadtgespräch Nummer eins, und der Senher d’Astain als einer, der das Land schon einmal von den Antonius-Jüngern befreit hatte, konnte sich vermutlich vor Fragen in dieser Art kaum noch retten. Entsprechend müde seufzte er und meinte: «Mein Junge, wenn ich das so genau wüsste, hätte ich es längst dem Viguié und dem Parlament mitgeteilt. Aber leider weiß
    ich auch nicht mehr als jeder andere auch: Die Schriftzüge an den Orten des Verbrechens sprechen natürlich für sich, aber wo sich diese Räuber versteckt halten und wie es überhaupt möglich ist, dass diese Bande wieder aufgetaucht ist, nachdem wir sie doch vernichtet glaubten, das weiß nur Gott.»
    Ermutigt durch die Gesprächigkeit von Degrelho fuhr Fabiou fort: «Haltet Ihr es für möglich, dass der Mörder der Sohn von Enri Nicoulau ist?»
    Einen Moment lang betrachtete Degrelho den Jungen nachdenklich. «Wie kommt Ihr denn darauf, dass Nicoulau einen Sohn hatte?»
    «Oh – das stand in den Annalen von Galaud. Dort stand auch, dass dieser Sohn verhaftet worden ist, aber von einer Verurteilung war dann nicht mehr die Rede. Wisst Ihr, was aus ihm geworden ist? Ist er entkommen?»
    Der Senher d’Astain antwortete nicht gleich. Er knetete die Zügel in seinen Händen.

Weitere Kostenlose Bücher