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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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krächzte Arnac. «Der kommt aus einer Familie, wo man es für den guten Ton hält, zu Ostern ein paar tausend Frauen und Kinder abzuschlachten. Der weiß vermutlich nicht mal, wie man das Wort Ritterlichkeit buchstabiert…»
    «Schluss jetzt, du Scheißkerl!», schrie Mergoult mit überschnappender Stimme. Und stieß zu. Sébastien schrie. Brieul schrie. Andréu d’Estrave starrte mit offenem Mund auf Arnac, der einen Moment lang mit weit aufgerissenen Augen auf der obersten Treppenstufe balancierte, um dann rücklings in die Tiefe zu stürzen, zwei Schritt, bis er auf den Stufen auftraf und sich überschlug, und dann weiter, rollend und schlitternd aus dem Lichtkreis entschwindend, so dass man nur noch das Geräusch hörte, mit dem sein Körper wieder und wieder auf den Stufen aufschlug, und dann Stille.
    Es war ruhig, so ruhig. Andréu d’Estrave hob die Hand und strich sich mit einer fahrigen Bewegung eine seiner braunen Locken aus 818
    dem Gesicht. «Mann!», sagte Jean de Mergoult in restloser Faszination. «Oh Mann!» Brieul starrte Alexandre an mit offenem Mund und schüttelte fassungslos den Kopf. «Du bist verrückt», sagte er.
    «Mein Gott, du bist verrückt.»
    Auch Alexandre schien jetzt plötzlich beunruhigt zu sein. «Verdammt, warum ist hier kein Licht?», fuhr er einen der Knechte an. «Ich brauche Licht!» Der Knecht rannte los, eine Entschuldigung murmelnd. Sébastien stand starr vor Entsetzen am Kopf der Treppe.
    Das Licht kam; eine Fackel, die von den hinten Stehenden nach vorne durchgereicht wurde, und Alexandre ergriff sie mit einem unwirschen Knurren und sprang die Stufen hinunter. Ihm folgten Brieul, der nicht aufhörte, den Kopf zu schütteln, St. Roque, lässig wie immer, und die Jungs um Jean, eben so albern wie verängstigt kichernd. Sébastien stolperte hinterdrein, die halsbrecherisch steile Stiege hinunter. Er zitterte am ganzen Körper. Er konnte sich schlichtweg nicht vorstellen, dass Arnac diesen Sturz überlebt haben sollte. Mit einem Satz war Alexandre auf dem Absatz am Fuß der Treppe und hatte sich über Arnac gebeugt, der reglos an der Wand lag. Der Schein der Fackel fing sich in Arnacs halbgeöffneten Augen. Sie blinzelten. Offenbar hatte Arnac einen Schädel aus Granit. Mergoults Lachen klang jetzt doch eher erleichtert als spöttisch, als er «Na, sanft gelandet, Couvencour?» rief. Arnacs Lippen bewegten sich, aber falls er etwas sagte, war es zu leise, als dass einer der Übrigen es verstand.
    «Los», Mergoult fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, in Richtung der Waffenknechte, «schafft sie rein, ich will jetzt endlich zum Essen!» Er drehte sich um, starrte irritiert auf Brieul, der ihn ansah und abermals den Kopf schüttelte. «Was willst du?», schrie Alexandre. «Ist doch nichts passiert! Dem geht’s doch gut, dem kleinen Ketzer! Also, was gibt’s zu meckern?»
    «Gott, du bist so ein Arschloch, Alexandre», sagte Brieul und stieg die Treppe hinauf.
    Mergoult sah einen Moment lang ungläubig hinter ihm her, dann schrie er, schäumend vor Wut: «Also los jetzt, los!»
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    Jemand schloss eine Tür zu ihrer Linken auf, eine schwere Eichentür mir Eisenbeschlägen, schwarz vom Alter. Durch Sébastiens Geist schossen im Bruchteil einer Sekunde sämtliche Horrorgeschichten, die er in seinem Leben über Leute gehört hatte, die man über Jahre in irgendwelchen feuchten Löchern eingekerkert hatte, bis sie verhungerten oder an der Schwindsucht starben oder den Verstand verloren. Jemand packte ihn an den Schultern und schob ihn durch die Tür.
    Es war um keinen Deut besser, als Sébastien es sich vorgestellt hatte. Er stand in einem Kellergewölbe, etwa vier mal vier Schritt groß, eine hohe Decke, von der Spinnweben herabhingen wie ein Baldachin aus schmutzigweißem Tüll. Grüner Schimmel klebte auf den feuchten Wänden, in einer Ecke fiel ein Wassertropfen von der Decke, ein langsames stetiges Plick; den Stein, auf dem er auftraf, hatten seine jahrzehntelangen Bemühungen glattgeschliffen. Ein Geruch von Fäulnis und Alter hing in der stehenden Luft; der einzige Schimmer Lichts kam von der Fackel, die ein Knecht hinter Sébastien in den Händen hielt, der Raum hätte tausend Fuß unter der Erde liegen können, so hermetisch abgeriegelt war er. Es war eisig kalt.
    Bisher war es die Entrüstung gewesen, die Sébastiens Protest motiviert hatte, die Empörung über die unglaublich unwürdige Behandlung, die ihnen widerfuhr. Jetzt war es nackte Todesangst. So

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