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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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der Kälte. Sie weint.
    Louise steht auf. Sie ist jetzt noch weißer als die Marmorstatue. Sie ist weißer als alles Weiß, das Agnes in ihrem Leben gesehen hat. Sie streckt Agnes die Hand entgegen, an der schwarzes Blut klebt.
    Komm, sagt sie.
    «Cristino!»
    Jemand hatte sie an den Schultern gepackt und schüttelte sie, dass ihr die Schlafhaube vom Kopf flog. «Cristino, wach auf, wir müssen fort!»
    Sie fuhr auf. Sie begriff nichts, weder wo sie war noch wer sie da so unsanft wachrüttelte. Und am allerwenigsten begriff sie, was sie soeben geträumt hatte.
    «Cristino, verdammt, hörst du mich? Oh, Cristino, Scheiße, steh auf!»
    Sie hob den Kopf, starrte verständnislos in das Gesicht, das sich über sie beugte. Es war noch immer dunkel, so dunkel, dass sie gerade so erkennen konnte, dass jenes Gesicht zu Victor gehörte.
    «Victor? Was ist denn?»
    Sein Blick war gehetzt. «Zieh dich an, schnell. Wir müssen sofort weg hier. Du bist in großer Gefahr!»
    Sie stolperte aus dem Bett. Der Wind einer warmen Hochsommernacht strich durchs Fenster. Sie erkannte Loís’ Schatten an der Tür. Sie hielt inne vor ihren Kleidern, die säuberlich zusammengelegt auf der Kommode lagen. «Ähm… rufst du mir die Zofe?»
    «Scheiße, Cristino, keine Zofe! Zieh dich endlich an!»
    Sie sah ihn an, wartete darauf, dass er endlich den Raum verließ, was ja wohl das mindeste war, wenn er ihr schon keine Zofe zum Ankleiden schickte. Er begriff nicht. «Was ist denn jetzt noch?», keuchte er.
    «Würdest du vielleicht so lange den Raum verlassen?», fragte sie pikiert.
    Er stöhnte auf. «Mach schnell!», flehte er und verschwand zur Tür hinaus, Loís mit sich ziehend. «Loís, schnell, lauf zum Stall 946
    und sattle Pferde für uns. Ich komme mit Cristino, sobald sie angezogen ist. Warte auf uns vorne beim Fluss!»
    «Was ist denn los?», fragte Loís verständnislos.
    «Oh Gott, wir haben keine Zeit für lange Erklärungen! Sie sind da! Ich habe sie gesehen! Wir müssen sofort weg hier, oder Cristino ist tot!»
    Loís fragte nicht länger. Er rannte.
    Es ist schwer, sich in einem dunklen Haus zu orientieren, das man am Abend vorher zum ersten Mal betreten hat, zumal in einem Haus in der Größe von Santo Anno dis Aupiho. Loís ging zweimal in die Irre und stand plötzlich in einem Gang, der an einer Wand endete, bevor er endlich die Vordertür erreichte. Sie war verriegelt; er schob den Riegel beiseite und stürzte nach draußen. Der Stall lag zur Rechten. Loís huschte über den Hof, schlüpfte durch die Stalltür. Der beruhigende Geruch von Heu, Pferden und Holz. Ohne Mühe fand er den Seitenraum, in dem die Sättel und das Zaumzeug aufbewahrt wurden. Er wählte drei kräftige, gesunde, aber nicht zu wertvolle Pferde aus. Baroun Degrelho würde zwar sicher Verständnis für ihr Handeln haben, wenn er erfuhr, dass Cristinos Verfolger hier aufgetaucht waren, aber dennoch sollten sie vielleicht nicht gerade seine allerbesten Pferde entführen. Seine Hände zitterten, als er in Windeseile die Pferde sattelte und aufzäumte. Er hatte das Gefühl, dass die Mörder bereits hinter ihm in der Dunkelheit standen, hinter der Futterkrippe vielleicht, oder hinter jener Trennwand zum Heuschober. Er sah alle paar Sekunden über seine Schulter. Die Nacht bestand nur noch aus bedrohlichen Schatten. Alle drei Pferde am Zügel führend rannte er dann auf den Hof hinaus. Sie folgten anstandslos. Er konnte hervorragend mit Pferden umgehen. Er führte sie die Straße hinunter. Niemand, der ihm folgte, kein Schatten, der sich aus den anderen löste und sich auf ihn stürzte. Von links zog der kleine Fluss heran, dessen Namen er nicht kannte, floss auf die Straße zu, strömte unter der kleinen Brücke hindurch, hier war der Treffpunkt.
    Loís stand an der Böschung, die Pferde mit der rechten Hand haltend, mit der linken sein Bündel an sich gepresst, das längliche Bündel, das er aus Ais mitgenommen hatte, und starrte hinunter in 947
    das schwarze, munter gurgelnde Wasser. Komm, Cristino, komm, betete er zu allem Göttlichen, was er je gekannt hatte. Seine Hände öffneten sich, als er den Schlag auf den Kopf erhielt, und die Pferde, erschreckt von dem plötzlichen Geschehen, wichen zurück und zogen ihm die Zügel aus den Händen. Es kam ihm so vor, dass er eine ganze Weile lang dastand und zusah, wie das Bündel seiner anderen Hand entglitt und die Böschung hinunterrollte, wo es an einem niedrigen Strauch dicht über der Wasserlinie hängen

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