Die Kinder des Ketzers
blieb. Das Letzte, was er sah, war die gekräuselte Oberfläche des Wasserlaufs, die ganz langsam auf ihn zukippte. Er spürte bereits nicht mehr, wie das Wasser über ihm zusammenschlug.
***
Wenn Cristou de Bèufort sich mit ähnlichem Elan für seine Mandanten eingesetzt hatte wie Catarino jetzt für Hannes, nun, dann konnte man verstehen, dass das Parlament alles andere als gut auf ihn zu sprechen war, dachte Bruder Antonius. Er stand vor der Tür, die die Conciergerie , das Gefängnis von Ais, vom Rest der Welt trennte, und vor ihm wiederum stand Catarino und hieb mit beiden Fäusten auf eben diese Tür ein. Und das tat sie mitnichten schweigend. Ihr Gebrüll war zweifelsohne bis Seloun zu hören, und was die Ausdrücke betraf, mit denen sie die Gefängniswärter betitelte
– von «Drecksäcke» über «Hurenböcke» bis «Schweineficker» war so gut wie alles vertreten –, musste sich Bruder Antonius über den Wortschatz der jungen Edeldamen des Luberoun doch ziemlich wundern.
Allein der Erfolg ließ auf sich warten. Was vermutlich daran lag, dass die Gefängniswärter von Ais den Umgang mit tobenden Angehörigen ihrer Gefangenen durchaus gewohnt waren, und wer sich mit fluchenden Huren und Marktweibern herumgeschlagen hat, lässt sich auch von einer Catarino de Bèufort nicht unbedingt zu Tode erschrecken. Die Tür blieb zu, hinter der Hannes verschwunden war, so sehr Catarino auch schrie und tobte. Schließlich siegte die Erschöpfung und sie sank keuchend und nach Luft japsend gegen die Eisenbeschläge des Gefängnistores. 948
«Wir kommen da nicht rein», stellte Bruder Antonius resigniert fest.
Sie fluchte. Unglaublich, was dieses Kind fluchen konnte. «Ich werde nicht zulassen, dass sie Hannes umbringen!», schrie sie. Er biss sich auf die Lippe, bis der Schmerz ihm die Tränen in die Augen trieb. Vor seinen Augen gleißte das Schafott von Ate im Sonnenlicht.
Jemand kam über die Plaço dou Prechadou auf sie zugelaufen, zwei einsame Wanderer im Mondlicht. Catarino richtete sich auf, die Hände zu Fäusten geballt. «Ihr!», heulte sie dem Vorderen entgegen. «Ihr Mistkerl! Ihr feiger Schlappschwanz! Wenn ich ein Mann wäre, ich würde Euch hier und jetzt zum Duell fordern und Euch in die Hölle schicken, Ihr Sauhund!»
Crestin betrachtete sie müde. «Ihr liebt ihn, nicht wahr?», stellte er fest. Hinter ihm trat Laballefraou verlegen von einem Fuß auf den anderen.
«Das geht Euch einen Dreck an! Ob ich ihn liebe oder nicht, er ist unschuldig, und wenn er hingerichtet wird, dann ist das ein feiger, gemeiner Mord! Es fragt ja überhaupt keiner, ob er die Morde überhaupt hätte begehen können! Oder ob es irgendwelche Beweise für seine Schuld gibt! Das ist euch allen ja völlig egal! Ihr wollt nur ein Bauernopfer, das ihr an den Galgen bringen könnt, und wer wäre da besser geeignet als der Sohn von Enri Nicoulau und der Neffe von Joan lou Pastre!»
Crestins erschöpfter Blick ging von ihr zu Bruder Antonius.
«Und Ihr, frommer Bruder? Seid Ihr auch so vehement von seiner Unschuld überzeugt?»
«Kein Mensch ist unschuldig», sagte Antonius in einem Anflug von Theologisiererei. «Aber die Morde hat Hannes nicht begangen.»
Crestin nickte langsam. «Dieser Hannes ist glücklich zu schätzen», sagte er. «Wenige Menschen haben Freunde, die sich so rückhaltlos für sie einsetzen.» Er starrte in die Dunkelheit. «Wie viel seid ihr bereit, für ihn zu riskieren?»
Die beiden starrten ihn an. «Alles», sagte Catarino. Bruder Antonius nickte.
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Crestin schloss die Augen und öffnete sie wieder. Er sah krank aus. «Könnt Ihr ein Pferd organisieren, Barouneto?»
«Natürlich.»
«Dann tut das und wartet vor der Stadt an der Porto Bello-Gardo. Und bringt etwas Proviant und Wasser mit. Sie werden ihn jagen. Er wird nirgends anhalten können, um um Hilfe zu bitten. Geht jetzt.»
Bruder Antonius starrte ihn sprachlos an. Er hätte wahrscheinlich noch zehn Minuten später so dagestanden, wenn Catarino ihn nicht am Arm gepackt und in die nächstbeste Seitenstraße geschleift hätte. Sie rannten in den Hof der Aubans. Die Familie war verschwunden, dunkel lagen Hof und Haus. Sie flitzten in den Stall hinüber.
«Das und das», sagte Catarino, auf zwei Pferde zeigend.
«Er hat ‹ein Pferd› gesagt», erinnerte Bruder Antonius.
«Glaubst du, ich lasse ihn allein?»
Antonius presste die Lippen zusammen. «Kommt noch ein drittes Pferd in Frage?»
«Sie kommen alle in Frage. Sie gehören
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