Die Kinder des Ketzers
Archimède Degrelho verzweifelt. Victors Gesicht war absolut ausdruckslos. Louise hustete, ein seltsamer, rauer Husten aus den Tiefen ihrer Lunge. «Fabiou?», krächzte sie.
Fabiou starrte mit traurigen Augen auf Louise und Archimède Degrelho. «Ich weiß nicht», sagte er. «Ich wollte immer nur die Wahrheit herausfinden. Ich wollte nie jemanden umbringen.»
Louises Augen zuckten. Wieder hustete sie. «Cavalié?»
Frederis Gesicht war dem Fußboden zugewandt. Fabiou hatte den Eindruck, dass er weinte. «Die Rache liegt bei Gott», flüsterte er. Louises Zähne waren in ihre Lippen gegraben. «Cristino?»
Sie schniefte. Sie wischte sich mit dem Ärmel über das verschmierte Gesicht. «Er ist doch unser Onkel!», schluchzte sie. «Wir können doch nicht unseren Onkel umbringen!»
«Also gut!» Louise schnappte nach Luft, was einen weiteren Hustenanfall zur Folge hatte. Blutblasen erschienen an ihren Lippen.
«Vier Stimmen dafür, drei dagegen. Damit ist es entschieden.»
«Einen Moment», sagte Bruder Antonius. «Ich werde nicht zulassen, dass Ihr hier einen Menschen tötet, Senher Couvencour, so sehr ich Eure Wut verstehe.»
«Haltet Ihr Euch da raus!», schrie Louise. «Eure Moralpredigten könnt Ihr in der Kirche halten! Ihr habt keine Ahnung, wovon Ihr da redet!»
«Das habe ich sehr wohl», sagte Antonius ruhig. «Ich war ein Antonius-Jünger, Senher Couvencour. Ich habe zweieinhalb Jahre im Kerker von Ate verbracht. Ich habe genauso ein Mitspracherecht wie jeder andere hier. Und ich sage, ich werde nicht zulassen, dass Ihr Baroun Degrelho tötet.»
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Cristino schniefte. «Bitte, Arnac, tu es nicht! Er ist doch unser Onkel, Arnac!»
«Verflucht, Jousé, willst du, dass er ungestraft ausgeht, nach allem, was er uns angetan hat?», schrie Hannes.
«Du hast mich mal gefragt, ob ich Ate vergeben könnte», sagte Antonius tonlos. «Wenn das die Bedingung dafür ist, dass ihr Degrelho am Leben lasst, dann sage ich: Ja, ich vergebe. Ich vergebe alles.»
«Bitte!», schluchzte Cristino. «Bitte, Arnac! – Louise!»
Die Klinge in Louises Hand zitterte. Langsam, zögernd ließ sie den Degen sinken. «Also gut!», keuchte sie. «Du hast Glück, Onkel Archimède! Ich könnte nie etwas tun, was ihr wehtut. Wenn sie will, dass du am Leben bleibst, dann bitte.»
Archimède Degrelho stand einen Moment lang wie vom Donner gerührt. Dann drehte er sich um und lief in großen Schritten den Gang hinunter. Niemand hielt ihn auf.
«Mein Gott», stöhnte Sébastien. «Einen Moment lang habe ich wirklich gedacht, du würdest ihn töten, Arnac.» Louise antwortete nicht. Sie stand noch immer am selben Fleck, in der Blutlache, die zu ihren Füßen schillerte, den gesenkten Degen unverändert in der Hand. Ihr Gesicht war absolut leer. Hannes hatte sich zu ihr umgedreht, schüttelte langsam und fassungslos den Kopf. «E…es tut mir leid, Janot», krächzte Louise, «… tut mir leid…»
Bruder Antonius wandte sich ab, beugte sich zu dem Kahlen nieder, schlug ein Kreuz über seinem leblosen Körper. «Ego te absolvo omnia peccata tua», murmelte er. «Möge Gott dir deine Sünden vergeben. Genug waren es vermutlich.» Stumm sahen die anderen zu. Es war, als sei ein Bann über sie geworfen, der sie lähmte. Keiner rührte einen Finger, keiner achtete auch nur im Geringsten auf den Landsknecht, den Louise bewusstlos geschlagen hatte, und der, soeben wieder aus dem Reich der Träume aufgetaucht, seinen verletzten Kumpel vom Boden hochzerrte und ihn den Gang hinunterschleifte.
Antonius richtete sich auf. Seine Augen waren geweitet. «Was ist das?», fragte er.
«Was ist was?», fragte Rouland de Couvencour stirnrunzelnd. Antonius schluckte. «Pferde», flüsterte er.
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Sie lauschten in die Dunkelheit, registrierten alarmiert den Hufschlag und das Wiehern zahlloser Gäule auf dem Hof, das Klirren von Waffen, die aus Scheiden gezogen wurden, und das Klappen der Haustür, und dann die schrille Stimme von Archimède Degrelho, die über dem Lärm brüllte: «Da hinten sind sie, holt sie euch, schnell!»
«Die Landsknechte des Genevois!», krächzte Catarino. Rouland de Couvencour fuhr zu Victor herum. «Gibt es einen Hinterausgang?», fragte er hektisch. «Ein Fenster, irgendetwas?»
«Die Fenster im Erdgeschoss sind alle vergittert», sagte Victor.
«Einen Seiteneingang gibt es. Aber dazu müssen wir durch die Eingangshalle. Wir werden ihnen direkt in die Arme laufen!»
Rouland de Couvencour rang nach Luft.
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