Die Kinder des Ketzers
vertrauen.»
«Trostett kehrte Anfang dieses Jahres nach jahrelanger Abwesenheit in die Prouvenço zurück», fuhr Fabiou fort. «Was sein ursprünglicher Auftrag war, wissen wir nicht und werden wir wohl auch nie erfahren, aber wir wissen, dass seine Rückkehr all jene Gewissensbisse ans Tageslicht brachte, die er über die Jahre vergessen zu haben meinte. Gewissensbisse, Maynier bei der Verheimlichung des geplanten Arrêts vor dem König unterstützt und diese ganzen Gräueltaten dadurch erst möglich gemacht zu haben. Gewissensbisse, die Bruderschaft nicht von Archimèdes Verrat benachrichtigt 1033
zu haben und so die letzte Chance vertan zu haben, den Arrêt de Mérindol zu verhindern. Diese Gewissensbisse, egal wie berechtigt sie waren, egal wie bedeutsam Trostetts Rolle beim Arrêt de Mérindol wirklich war, sie quälten ihn derart, dass er begann, den Verstand zu verlieren. Er hatte das Gefühl, sich schrecklich versündigt zu haben, und mehr und mehr war er von dem Gedanken besessen, dass er sein Seelenheil nur retten konnte, indem er für die Bestrafung der Schuldigen von damals sorgte. Ihm war natürlich ebenso wie Senher Couvencour klar, dass ein gerichtliches Vorgehen zum Scheitern verurteilt war. Das einzige Verbrechen, für das man zumindest Archimède Degrelho hätte belangen können, war der Mord an den Mädchen, und dafür hatte Trostett keine Beweise. Also suchte er nach einer anderen Möglichkeit, die Schuldigen zu bestrafen. Er hätte Degrelho und Maynier einfach umbringen können, aber in seinem Wahn erhob er einen anderen zum Richter über die Täter von damals: Carfadraels Nachkommen.»
«Er kam zu mir, Anfang März», sagte Rouland de Couvencour.
«Er stellte mir eigentümliche, wirre Fragen zu den Ereignissen von 1545. Und in diesem Moment kam Arnac ins Zimmer. Trostett sah aus, als ob ihn der Schlag treffen würde, und verabschiedete sich mehr als überhastet. Ich ahnte, dass ihm Arnacs Ähnlichkeit zu Hector aufgefallen war, und war entsprechend beunruhigt. Arnac sah Hector wirklich erstaunlich ähnlich, ich hatte schon lange gefürchtet, dass dies jemandem auffallen würde. Die Leute sehen meistens nur, was sie sehen wollen, das hatte ihn bisher beschützt. Aber nun hatte Trostett ihn erkannt, und dem traute ich ohne Weiteres zu, dass er uns ohne mit der Wimper zu zucken ans Messer liefern würde. Zwei Tage später war er dann wieder da und sagte, er wolle Arnac sprechen.»
«Er forderte Euch auf, Archimède Degrelho zu töten, nicht wahr?», mutmaßte Fabiou.
Louise starrte an die Decke. «Es hat Zeiten gegeben, in denen es das einzige Ziel meines Leben war, Archimède Degrelho zu töten. Er war der Grund, dass ich wie ein Besessener die Fechtkunst übte. Ich hatte vor, eines Tages zu ihm zu gehen, ihm zu sagen, wer ich bin, ihn zum Duell herauszufordern und zu töten. Als ich älter wurde, begriff ich, wie unsinnig das war – ich hätte mich, Rouland 1034
und am Ende sogar Cristino damit als gefährliche Zeugen entlarvt und in Lebensgefahr gebracht. Aber dann kam Trostett.» Sie rang nach Luft und hustete. «Er erklärte mir, dass ich ausersehen sei, die Mörder von damals zu vernichten. Ich habe gesagt, dass ein einzelner Mensch keine Chance habe, es mit ihnen aufzunehmen. Ich sagte ihm, unsere Rache an Maynier wäre unsere geheime Arbeit, und was Onkel Archimède betraf, so solle er an seinem Geld ersticken, ich habe Wichtigeres zu tun. Da erklärte er, ich würde meine Meinung schon noch ändern, und ging.»
«Er ging wohl direkt zu Archimède Degrelho und erklärte ihm, dass er über all seine Intrigen und Verbrechen Bescheid wüsste», erklärte Fabiou. «Wahrscheinlich hat er gedroht, ihn anzuzeigen oder die Sache öffentlich zu machen. Auf jeden Fall bekam Archimède es mit der Angst zu tun und bat Maynier, den Genevois zurück in die Prouvenço zu rufen, und Trostett wurde auf der Route d’Avignon erstochen.»
«Wenn ich auch keine Ahnung von Trostetts Plänen hatte, so fürchtete ich doch, dass er etwas tun würde, was Cristino in Gefahr brachte», sagte Louise. «Also ritt ich nach Castelblanc, um den Cavalié zu warnen. Aber ich kam zu spät, die Familie war bereits abgereist. Ich holte sie erst in der Coumbo ein. Von diesem Moment an ließ ich Cristino nicht mehr aus den Augen.»
«Mit Recht. Denn die Verkettung einer Reihe von Ereignissen
– La Costo, die Krähe, das Medaillon und die Ruine in der Keyrié
– ließen nach und nach Cristinos Erinnerungen
Weitere Kostenlose Bücher