Die Kinder des Ketzers
käme.»
«Einen Augenblick», sagte Crestin kopfschüttelnd. «Wieso hat Trostett Archimède Degrelho mit seinem Wissen konfrontiert?
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Geschichte dem Parlament mitzuteilen oder sie in Ais herumzuerzählen? Ohne Euch und Barouneto Cristino hätte Baroun Degrelho ihn ermorden lassen, und danach wäre die Geschichte im Sande verlaufen. Ging es ihm denn nur darum, sich selbst zu bestrafen, oder was?»
«Ich weiß es nicht», sagte Fabiou kopfschüttelnd. «Vielleicht dachte er, ihm als Ausländer würde man keinen Glauben schenken, und setzte daher darauf, Degrelho und seine Konsorten so nervös zu machen, dass sie Dinge taten, die die ganze alte Geschichte wieder ins Licht der Aufmerksamkeit rückten. Und vermutlich hat er gehofft, dass Arnac dies zum Anlass nehmen würde, doch noch Ra1037
che zu üben. Anders kann ich es mir nicht erklären. Von Cristino kann er nicht gewusst haben, also scheidet aus, dass er diesen Teil der Entwicklung vorhergesehen hat.»
«Fabiou, deine Argumentation in Ehren, aber in diesem Punkt hast du unrecht», sagte Cristino. Frederi wollte aus alter Gewohnheit den Mund öffnen, um sie zurechtzuweisen, zumal einige der anwesenden Edelleute missbilligend die Stirn runzelten – ein Mädchen widerspricht nicht so frech, und schon gar nicht in der Gegenwart von Herren –, doch dann seufzte er nur erschöpft und ließ sie gewähren. «Denk an Trostetts Schreiben», fuhr seine Stieftochter fort. «Die Geschichte vom heiligen Michael, das Opferlamm…
Trostett hat nicht logisch gedacht wie du! Trostett hat alles, was er tat, rein unter dem Aspekt seiner Versündigung gesehen! Er hat sich geopfert, um Gott dazu zu bewegen, die Mörder zu bestrafen. Er hat nicht einkalkuliert, dass Arnac durch Onkel Archimèdes Handlungen zur Rache bewegt wird. Er war schlichtweg davon überzeugt, dass Arnac der Rächer ist und dass seine Sühne erforderlich ist, damit Gott diesen Rächer auf den Weg schickt!»
«Also war er doch ein Irrer! Ich hab’s doch von Anfang an gesagt!», murmelte Catarino zufrieden.
«Archimède Degrelho schmiedete also erneut Pläne, sich seiner Nichte zu entledigen», fuhr Fabiou nun mit seiner Argumentation fort. «Doch das Schicksal wollte es, dass gleich zwei seiner Mordanschläge vereitelt wurden. Also beschloss er, Cristino und möglichst auch mich an einen Ort bringen zu lassen, wo er vor unseren fleißigen Schutzengeln sicher war. Sein einziges Problem war Frederi de Castelblanc. Ich nehme an, dass Archimède aus dem Verhalten des Cavaliés schloss, dass dieser wusste oder zumindest ahnte, dass er der Mörder der Familie Degrelho war. Also lockte er Frederi durch einen Vorwand nach Arle.»
«Er benutzte eines unserer alten Losungsworte. Der Brief war nicht unterzeichnet, es stand nur drin, dass ich sofort nach Arle kommen müsse», erklärte Frederi. «Ich dachte, er sei von Rouland oder Madeleine Carbrai oder vielleicht … sogar von Philippe. Aber in Arle erschien dann niemand am Treffpunkt.»
«Und inzwischen war Cristino bereits auf dem Weg nach Santo Anno dis Aupiho», ergänzte Fabiou. «Archimède Degrelho hatte 1038
den Genevois dorthin bestellt, und der hatte zur Sicherheit, falls doch noch einer von Cristinos Beschützern auftauchen würde, gleich ein paar von seinen Landsknechten mitgebracht. Ein beinahe todsicherer Plan. Und ohne das Eingreifen von Barouno Degrelho und Victor und einigen anderen der hier Anwesenden wäre er sicher gelungen», endete er. Ringsum beeindruckte bis betroffene Blicke. «So etwas», murmelte der Bonieus, «so etwas aber auch.» Estève de Mergoult machte ein Gesicht so finster wie ein Kellerloch. Der La Costo starrte mit leichenweißem Gesicht ins Leere.
«Es tut mir leid», murmelte Victor. «So viel von dem, was passiert ist, war meine Schuld. Der Überfall auf St. Vitori – ich habe Brouche davon erzählt, dass Alexandre mit Cristino dorthin wollte, und so erfuhr mein Vater wohl davon und hetzte Cristino den Genevois auf den Hals.»
«Blödsinn, Victor», krächzte Louise. «Du hattest doch keine Ahnung von den Machenschaften deines Vaters. Du bist wirklich der Letzte, der sich Vorwürfe machen müsste.»
Victor zuckte mit den Achseln. Er wirkte wenig überzeugt.
«Was werdet Ihr nun tun?», fragte Nicolas de Bouliers in Richtung von Cristino und Louise. «Werdet Ihr versuchen, Euer Erbe einzuklagen?»
«Wie denn?», murmelte Louise. «Das Testament ist verschollen, Austelié ist
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