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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Untat?»
    «Das, Monsieur», meinte der Hellhaarige mit einem Lächeln,
    «würde mich allerdings auch interessieren.»
    Der Franzose seufzte und spielte mit seinem Messer. «Die Welt ist einfach schlecht, Monsieur», sagte er. «Schlecht – und unheimlich gefährlich.»
    Der Hellhaarige riss seinen Teller in die Höhe, keinen Augenblick zu spät, denn in diesem Moment schoss das Messer des anderen durch die Luft und blieb zitternd im Holz des Tellers stecken. Er setzte ihn ab und legte den Käse wieder darauf. Das Messer stand auf dem Teller wie ein einsamer Wachturm. Der Franzose seufzte wieder. «Ingelfinger, du lässt nach», sagte er kopfschüttelnd. «Vor zehn Jahren hättest du das Messer noch gefangen.»
    «Man wird alt», sagte der andere mit hochgezogenen Augenbrauen. «Aber das mit dem Akzent, das ist eine böswillige Unterstellung.» Er zog das Messer aus dem Holz und begann, den Käse zu zerteilen und das Brot damit zu belegen. «Es erstaunt mich, dir hier zu begegnen. Ich dachte, du sitzt inzwischen bequem an irgendeinem Schreibtisch in Paris und lässt andere die Kastanien aus dem Feuer holen.»
    «Normalerweise tue ich das auch», entgegnete der Franzose.
    «Aber die Sache schien doch eine gewisse politische Brisanz zu besitzen – und hatte zudem noch einen persönlichen Reiz, muss ich zugeben.»
    «Aha… du bist also auch wegen Trostett hier.» Der Hellhaarige grinste.
    «Wenn ich gewusst hätte, dass der Gute sich inzwischen zu den himmlischen Heerscharen versammelt hat, hätte ich mir den weiten Weg hierher gespart – komm, gib mir das Messer wieder, das brauche ich noch.» Der Franzose machte ein etwas finsteres Gesicht. «Und was ist mit dir? Dich hier zu treffen hatte ich auch nicht gerade vermutet.»
    «Oh», der Hellhaarige biss herzhaft in das Käsebrot, «ich war
    – rein zufällig natürlich – in Lyon, als mich die Nachricht von Trostetts unvermitteltem Ableben erreichte, und hielt es für meine Pflicht, der Sache nachzugehen. Schließlich gehören wir zum 215
    selben Verein, seit dem Augsburger Religionsfrieden. Nicht dass Trostett darüber sehr erbaut gewesen sein wird. Zumal es jetzt nur noch eine Amtei für Frankreich gibt und ich deren Leiter bin.»
    Der Franzose prustete los. «Du bist Trostetts Vorgesetzter?»
    «War, war. Er ist ja tot. Und das, wo der Auftrag, mit dem er unterwegs war, wirklich absolut harmlos war.»
    «Worum ging es denn?», fragte der Franzose unschuldig. Ingelfinger grinste. «Ganz vergreist bin ich auch noch nicht, Corbeille. Nun, Tatsache ist, dass man ihm auf der Route d’Avignon ein Messer zwischen die Rippen gejagt hat, und wir haben nicht den geringsten Schimmer, wer es gewesen sein könnte.» Er schwieg kurz, nippte versonnen an seinem Rotwein. «Wart ihr es?»
    «Kannst du mir einen logischen Grund nennen, warum wir es hätten tun sollen?», fragte Corbeille. «Meine Intention war, mich an ihn dranzuhängen, um herauszukriegen, was für Gemeinheiten ihr diesmal wieder plant. Was hätte ich wohl davon gehabt, Trostett den Brustkorb zu perforieren?»
    «Oh, Motive gäbe es – alte Feindschaften…»
    «Wenn du von Motiven redest, könntest du genauso gut als Mörder in Frage kommen. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie er dich in Lourmarin aus der Kutsche gekickt hat und rief, ein Protestant, ein Protestant. Also wirklich, wenn ich nicht ein so hoffnungslos guter Mensch wäre, hätte Mayniers Soldateska dich in Stücke gerissen oder noch etwas Schlimmeres. Ich darf nur an Freund Coeur de Lion erinnern!»
    «Lourmarin…» Ingelfinger schwenkte versonnen den Wein in seinem Becher, ohne auf das von Corbeille beschriebene unangenehme Szenario weiter einzugehen. «Da fällt mir noch jemand ein, der ein Motiv hätte…»
    Corbeille seufzte. «Ich weiß, an wen du denkst, aber vergiss es. Sie sind tot.»
    «Dafür habt ihr gesorgt, ich weiß», sagte Ingelfinger trocken.
    «Red keinen Blödsinn! Ich habe es damals gesagt, und es ist die Wahrheit: meine Aufgabe war es, sie aufzuhalten; es lag nie in meiner Absicht oder der meiner Auftraggeber, diese Leute zu töten. Genauso wenig wie wir unsere Hände bei Mayniers Heldentat im Spiel hatten. Das Ganze war wirtschaftlich und politisch 216
    eine Katastrophe und hat Frankreichs Stellung mehr geschadet als genützt. Meine Aufgabe ist es, Frankreich zu schützen und nicht, ihm zu schaden.»
    Ingelfinger zuckte mit den Achseln. «Drei haben überlebt», meinte er. «Vier sogar, wenn man Cosmas

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