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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Kristallblase, ist mit glänzenden Hexose-Riefen und Phenolpolymeren ausgekleidet und ebenso geschmackvoll wie dezent möbliert. In einem Raum, der mühelos dreißig selbstständig Arbeitende aufnehmen würde, sind Plätze für zehn Passagiere eingerichtet; das überfüllte Unterdeck bietet Stehplätze für fünfzig Zwangsarbeiter. Ich wähle einen Klubsessel vor dem Fenster und mache es mir bequem, während ein Steward mir einen leckeren Mix reicht: zu Zuckerwatte gesponnene Polysaccharide und Gasolin, serviert in einem kegelförmigen Glas.
    Zu dieser Tageszeit reisen die Leute nicht gern. Entweder das, oder alle anderen, die das Startfenster zum Jupiter nutzen wollen, sind schon frühzeitig aufgebrochen. Jedenfalls sitze ich allein im Salon, als die Kabel schnurgerade wie Laserstrahlen am Fenster vorbeigleiten und der Boden unter mir zurückbleibt. Einige Minuten lang glaube ich fast schon, dass ich mein Amateurtheater vergeblich aufgeführt habe und mich in der Stadt niemand bemerkt hat, doch dann fällt mir auf, dass der Steward nicht zurückgekommen ist, um mir mein leeres Glas abzunehmen. Ich stelle das Glas ab und erstarre. Einen Augenblick später höre ich, wie sich jemand in meinem Rücken diskret räuspert. »Mit Ihrer Erlaubnis, gnädige Frau?« Eine Hand greift nach dem leeren Glas auf meinem Beistelltisch und ersetzt es durch ein volles, das von einem winzigen Sonnenschirm aus Zellulose gekrönt wird. Sogar
ein rotes Gelatineklümpchen ist auf dem Schirm aufgespießt. Der Sessel neben mir ächzt unter dem Gewicht des Körpers, der sich darauf niederlässt. »Schätzungsweise möchten Sie reden«, sagt eine gereizte Stimme.
    Ich drücke auf einen Knopf und lasse den Sessel zu meinem Nachbarn herumschwingen. »Ich will plausible Antworten«, erwidere ich. Eine Hand lasse ich unter meiner Tasche. Offenbar hat er gar nicht bemerkt, dass ich eine Pistole auf ihn richte, aber ich kann mir nicht sicher sein – und in jedem Fall weiß er, wozu Juliette fähig ist. (Was bedeutet, dass er entweder sehr gefährlich oder sehr selbstsicher ist. Ist es nicht seltsam, wie wenig davon ich auf Cinnabar begriffen habe? Und wie falsch ich ihn eingeschätzt habe?) »Ich möchte wissen, was hier vor sich geht, ehe ich in dieses Linienschiff steige. Andernfalls können Sie in Ihrem Spielchen nicht mehr auf mich zählen.«
    »Spielchen?« Jeeves wirkt verblüfft. »Was meinen Sie damit?«
    »Ich will wissen, wieso Sie mich dazu benutzt haben, einem der Speichellecker dieser Domina eine Botschaft zukommen zu lassen. Genauer gesagt: dem Sexsklaven Petruchio.« Ich rechne mit einer heftigen Reaktion, deshalb habe ich die Waffe gezückt. Worauf ich keineswegs gefasst bin, ist schlichtes Unverständnis. Milde ausgedrückt ist Jeeves völlig verwirrt.
    »Wie bitte?«
    »Sie haben mich, wie gesagt, zu einem miesen Hotel in Korvas geschickt, damit ich Petruchio dort einen Erinnerungschip aushändige. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung vorzubringen?«
    Jeeves schüttelt den Kopf und blinzelt bedächtig. »Oh … du meine Güte. Haben Sie die Instruktionen für dieses Treffen aufbewahrt?«
    »Sehe ich so blöde aus?« Ich funkle ihn an. Schließlich lautet die wichtigste Regel in diesem Gewerbe: Lass dich nicht mit Beweismaterial erwischen.
    »War ja nur eine Frage.« Anscheinend denkt er angestrengt nach. »Welche Aufträge haben Sie dort sonst noch erledigt?«, fragt er schließlich.

    »Welche anderen Aufträge?« Ich muss ein bisschen überlegen. »Seit diesem keine weiteren. Davor habe ich als Erstes …« Hastig skizziere ich, was ich wohin befördert habe. »Warum?«
    »Weil diese früheren Aufträge von uns abgesegnet waren.« Er wirkt tatsächlich bestürzt. »Das ist eine schlimme, sehr schlimme Geschichte. Es tut mir leid.« Zu meiner Verblüffung sieht er so aus, als wäre es ihm ernst damit.
    »Ha! Würden Sie mir bitte verraten, wofür Sie sich entschuldigen? In letzter Zeit habe ich nämlich so viele interessante Überraschungen erlebt, dass ich Leute, die mich umbringen wollen, allmählich satt habe. Insbesondere, wenn es meine eigenen Arbeitgeber sind.«
    »Wir versuchen keineswegs, Sie umzubringen, Freya, da können Sie sicher sein. Ganz im Gegenteil, wir geben uns alle erdenkliche Mühe, Sie am Leben zu erhalten. Obwohl Sie uns die Sache nicht leichter machen, wenn Sie einfach von der Landkarte verschwinden.« Jeeves lässt die Maske der Gleichmut gerade so lange fallen, dass ihm Verärgerung anzumerken ist.

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