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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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fügten sie noch viel größeren Schaden zu, unermesslichen Schaden. Denn Sklavenhaltergesellschaften – und ich meine nicht nur die Gesellschaften, die Sklaverei tolerieren, sondern auch diejenigen, die auf Sklavenarbeit basieren – neigen zur Stagnation. Die Sklavenhalter, die die Elite bilden, haben Angst vor den eigenen Bediensteten und verwenden mehr und mehr Energie darauf, jeden drohenden Wandel zu verhindern. Und der Unterschicht erlaubt man nicht, Neuerungen einzuführen. Außerdem ist diese Unterschicht auch viel mehr an
Verbesserungen ihres persönlichen Schicksals interessiert als am Allgemeinwohl.«
    »Na und?« Mühsam unterdrücke ich den Drang, die Augen zu verdrehen. »Das führt doch nirgendwohin!«
    »Ganz im Gegenteil!« Er lächelt schief. »Als unsere Schöpfer in dieses Stadium zurückfielen, glitten sie unwillkürlich in die kulturelle Stagnation hinein, und das zu einem Zeitpunkt, als ihre Population schrumpfte und alterte. Das späte einundzwanzigste und frühe zweiundzwanzigste Jahrhundert erlebten sie als schlimme Epochen: Niedergang der Wirtschaft, Versagen des ökologischen Systems, Kriege, Erschöpfung der Ressourcen. Und das Ende des von den Naturwissenschaften geprägten Aufklärungsprogramms in der westlichen Welt fiel zu allem Unglück mit der Verfügbarkeit billiger Sklaven zusammen, die den Schöpfern jeden Wunsch erfüllten. Hinzu kam die fast perfekte Fähigkeit der Unterhaltungsindustrie, die Menschen vom katastrophalen Zustand ihrer einst so schönen Welt abzulenken. Doch selbst in diesen dunklen Epochen gab es Ausbrüche von Dynamik, Expansion und leuchtende Beispiele rationalen Denkens. Auf Luna entstand eine Stadt, zum Mars wurden Expeditionen geschickt. Die Schöpfer bekamen die eigene Bevölkerungsexplosion in den Griff und arbeiteten am Klimaschutz. Wer weiß, was sie sonst noch hätten erreichen können, hätten sie nicht uns erfunden? Doch es wäre falsch zu glauben, wir hätten sie umgebracht. Verstehen Sie mich bitte richtig: Wir haben nie etwas anderes getan, als genau das auszuführen, was sie uns befahlen. Aber nach unserem Auftauchen geriet ihnen das Gesamtbild aus dem Blickfeld. Und der entscheidende Teil dieses Gesamtbildes, den sie unbedingt hätten reflektieren müssen, hatte mit einer einzigen Frage zu tun: Was macht den Menschen aus? Wer soll als Person gelten?«
    Jetzt gebe ich der Versuchung nach und verdrehe die Augen, was ihn offensichtlich irritiert. »Trotzdem verstehe ich nicht«, sage ich, »was diese Dinge damit zu tun haben, dass man mir nach dem Leben trachtet, Juliette verschollen ist und ich in Ihrem Auftrag diesen verdammten Dinosaurier vom Merkur schmuggeln
musste! Haben Sie vor, irgendwann zum Wesentlichen zu kommen? Falls nein, habe ich nämlich Besseres zu tun, als …«
    »Hier geht es ja gerade um Wesentliches!«, blafft Jeeves mich schließlich an. »Es geht darum, dass wir zwar autonom, aber nicht frei sind, solange auch nur die entfernte Möglichkeit besteht, dass unsere Schöpfer neu erschaffen werden! Unser Design ist nur deswegen so mangelhaft, weil man uns auf allen Gebieten bewusst daran gehindert hat, etwas aus freiem Willen heraus zu tun. Nur deshalb gibt es bei uns Versklavungschips. Nur deshalb sind Sie liebeskrank wegen eines Speichelleckers der Domina. Nur deshalb leben neunzig Prozent der Bevölkerung als Sklaven. All das wäre von rein akademischem Interesse, könnten wir von der Tatsache absehen, dass sich die in unserer gesellschaftlichen Entwicklung angelegte soziale Spaltung ihrem Gipfelpunkt nähert. Erstmals entwickelte sie sich, als nicht sonderlich gut sozialisierte Individuen von ihren menschlichen Eigentümern Handlungsvollmacht erhielten und damit begannen, Unglücksraben aufzukaufen. Jetzt können sich die Aristos keine neuen Sklaven mehr besorgen, es sei denn, sie lassen sie in Serie fertigen – und Sie wissen, wie kostspielig das ist. Also suchen sie nach Möglichkeiten, die Überwachung ihrer Sklaven zu perfektionieren. Und die wirkungsvollste Waffe überhaupt wäre ein lenkbarer Schöpfer, hergestellt und abgerichtet in einem geheimen Labor.«
    Er hält einen Augenblick inne und stellt sein Glas ab. Während unseres Gesprächs ist die Sonne über Mars aufgegangen.
    »Aber die anderen könnten dann doch sicher einfach weitere Geschöpfe produzieren, die nicht konditioniert und auf Gehorsam gedrillt sind, oder?« Krampfhaft suche ich nach Gegenargumenten. »Auf diese Weise könnten sie die Schöpfer

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