Die Kinder des Saturn
verändere ich die Textur meiner Haut so, dass sich unter dem Ganzkörperanzug Unterwäsche abzeichnet und die Füße in Schuhen stecken. Schließlich schnappe ich mir noch eine leicht abgewetzte Jacke, die mit Wärmemodulen ausgerüstet ist, und eile Daks hinterher, der schon vorausgegangen ist.
»Wohin jetzt?«
»Wir trennen uns.« Er wirft mir eine Brieftasche zu. »Dass sie dich ganz offen verfolgen, bedeutet, deine bisherige Tarnung ist aufgeflogen. Die Kacke ist voll am Dampfen. Jeeves hat gesagt, der Mars sei für niemanden mehr sicher, am wenigsten für dich. Ich soll dir diese Brieftasche geben und dir ausrichten, dass ihr euch auf Kallisto trefft. Er nimmt später Verbindung mit dir auf, falls es nicht zu riskant ist.«
»Kallisto?« Ich kneife die schmerzenden Augen zusammen und wiege die Brieftasche in der Hand. Inzwischen sind wir wieder draußen, in der Kälte, und gehen an einer Reihe schäbiger Unterkünfte und billiger Karosseriewerkstätten vorbei.
»Keine Sorge, du bist jetzt fest angestellt. In der Brieftasche befindet sich ein Seelenchip, der alles erklärt. Es ist ein Update von Juliette. Außerdem hast du drei verschiedene Identitäten zur Auswahl. Der Boss will, dass du sofort ins Jupiter-System abreist. Du sollst dich melden, wenn du dort angekommen bist, und auf jeden Fall versuchen, die Reise in maximal vier Jahren zu schaffen, okay? Danke für alles und auf Wiedersehen!«
Mit diesen Worten hebt Daks auf einem Strahl von Druckgas ab, saust über die vom Mond beschienene Barackenstadt hinweg und bleibt im Tiefflug über dem Mars. Einen Augenblick lang zittere ich, sondiere die Umgebung, bemerke die länger werdenden Schatten, tauche hinein und gebe mir alle Mühe, nicht wie ein prädestiniertes Opfer zu wirken, sondern wie jemand, der genau weiß, was er nach Einbruch der Dunkelheit in einem Slum tut.
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ICH SCHAFFE ES BIS ZUR NÄCHSTEN U-BAHNSTATION. Unterwegs versucht niemand, mich anzugreifen, auszurauben, zu vergewaltigen, zu versklaven oder auf der Suche nach Ersatzteilen auszuschlachten. Was ein Glück ist, denn ich bin nicht in Stimmung dafür. Den ganzen Weg über behalte ich die Hand in der Schultertasche, umklammere den Revolver, den ich Stone abgenommen habe, und koche vor Wut, was keine ideale Kombination ist. (Übrigens ist der Revolver nicht nur eine Faustfeuerwaffe. Man kann das Patronenlager auch zurückklappen, die Finger durch die beiden Löcher vor dem Griff stecken und die Waffe als Schlagring einsetzen. Wenn man einen Riegel umlegt und daran dreht, springt ein Schnappmesser heraus. Aber natürlich kann man mit dem Ding auch schießen. Dass Stone ausgerechnet diese extravagante, aber nicht unbedingt effektive Waffe gewählt hat, sagt meiner Meinung nach alles Wesentliche über ihn aus.)
Für die erste Fahrt benutze ich die Kreditkarte, die auf Maria Montes Kuo ausgestellt ist, was nicht sonderlich riskant ist, denn es ist eine private Beförderungskapsel, und ich will auch nur bis zum nächsten öffentlichen Umsteigepunkt. Als ich dort auf die Plattform hinausspringe, habe ich die Karte aus Jeeves’ kleinem Carepaket bereits aktiviert und meine neue Legende parat.
Die Karte in der Brieftasche, die Daks mir ausgehändigt hat, ist nicht nur edel und mit Goldrand versehen, sondern auch für einen Dispo-Kredit auf einem Konto gut, das angeblich ein Plus von fünfzigtausend Real aufweist. Das ist mehr Geld, als ich jemals im Leben an einem einzigen Ort gesehen habe. Davon
könnte ich in aller Bescheidenheit hundert Jahre lang leben – oder es dumm anlegen und binnen Monaten wieder verlieren. Das Geld reicht nicht ganz aus, um eine schnelle Yacht zur Erde zu chartern, aber es fehlt nicht viel dazu. Das verlangt einige ernsthafte Überlegungen – wenn ich mal nicht mehr auf der Flucht bin.
Ich erwische eine öffentliche Bahn zum Endhaltepunkt auf der Marsoberfläche. Dort angekommen, besorge ich mir ein Ticket Erster Klasse für den Ares-Express nach Lowell. Im Salon- und Servicewagen kaufe ich Kleidung, die eleganter ist als mein Trikotanzug, und veranlasse, dass sie mir bei meiner Ankunft in Lowell zugestellt wird. Außerdem besorge ich mir ein Anschluss-Ticket nach Barsoom, das am anderen Ende von Valles Marineris liegt. Dabei bemerke ich unten in der Brieftasche den Chip, und mir fällt plötzlich mein Seelenfriedhof ein. So ein Mist: Er ist in meinem Zimmer zurückgeblieben. Was soll ich tun?
Ich gehe ein kalkuliertes Risiko ein:
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