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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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ich mir ein Zimmer nehme. Das Ibis
Barsoom mag früher einmal ein kultiviertes, vornehmes Hotel gewesen sein, aber da die Aristos inzwischen immer mehr dazu neigen, die Leute ihrer Kreise bei sich zu Hause zu beherbergen und zu bewirten, muss das Ibis sich inzwischen die Nase zuhalten und alles aufnehmen, was es kriegen kann. Ungesehen geistere ich durch die zerfallende Pracht des Foyers, stapfe zur verlassenen siebten Etage empor und finde am Gang mein karg möbliertes Zimmer, von dessen Wänden der Putz bröckelt.
    Dort angekommen, entferne ich die Haftschalen von meinen Augen, benutze das Ultraschallreinigungsgerät, entleere meine Blase, in der sich die Abfallstoffe gesammelt haben, und mache mich an die Arbeit. Ein Treffen auf Kallisto, sagt Jeeves? Das ist leichter gesagt als getan. Erschwerend kommt hinzu, dass irgendjemand gerade versucht hat, mich auf juristischem Weg zu versklaven, kreischt eines meiner Ichs im Hinterkopf.
    Eine hastige Durchsicht der Schiffsfahrpläne enthüllt mir die niederschmetternde Wahrheit: Die Reise von Mars zu Jupiter erfordert jede Menge Delta-Vee, das heißt Wechsel der Fluggeschwindigkeit, um bestimmte Manöver zur Änderung der Flugbahn durchzuführen; der energetisch und preislich günstigste Weg, um von einer Umlaufbahn in die andere zu wechseln, der sogenannte Hohmann-Transfer, dauert dreieinhalb Jahre, und das Startfenster öffnet sich nur ein einziges Mal in jedem Marsjahr, knapp einmal in zwei Erdjahren. Noch schlimmer ist, dass Mars und Jupiter demnächst in Opposition zueinander stehen, so dass zu dem Flugweg mit hohem Delta-Vee noch vier astronomische Einheiten – sechshundert Millionen Kilometer – hinzukommen. Außerdem bedeutet dies, dass das normalerweise schnelle, mit Magnetsegeln ausgerüstete M2P2-Schiff einen großen Teil der Strecke gegen den Solarwind kreuzen muss. Man kann die Reise auch in einem Jahr schaffen, wenn man das nötige Geld für die Passage auf einem schnellen VASIMR-Linienschiff mit Plasmaantrieb hat. Aber das Massenverhältnis von Treibstoff zu Nutzlast ist dabei so schlecht, dass man die Reise besser im Kälteschlaf hinter sich bringt, denn für jedes Kilogramm, das am Reiseziel
ankommt, werden beim Start zwanzig Kilogramm berechnet. Auf allen Schiffen, die schneller sind als ein Hohmann-Transfer, sind die Gebühren für Zusatzgepäck so monströs, dass man schon von Reisenden gehört hat, die ihre Glieder vor dem Abflug amputiert und bei der Ankunft neue erworben haben. Außerdem gibt es auch noch die Nuklearraketen, aber die liegen außerhalb meines Kostenrahmens. Schließlich bin ich keine Millionärin.
    Aus reiner Neugier sehe ich nach, wie viel Flugtickets für jemanden mit meiner Masse kosten würden. Wäre ich Daks, könnte ich mir die Tickets leisten, aber egal, wie ich fliege, überschreitet der Preis für den Transfer mein Budget um mindestens sechzehntausend Real. Ich könnte die Gebühren aufbringen, würde ich mich eines Arms und beider Beine entledigen. Doch als ich mir kurz die Preise der Karosseriewerkstätten ansehe, merke ich, dass ich mir am Reiseziel höchstens einen Haken und die Gleisketten eines Raupenfahrzeugs leisten könnte. Resigniert bewahre ich all diese Berechnungen für später auf.
    Es ist immer noch früher Nachmittag, aber der Spaß und die Spielchen meiner nächtlichen Flucht haben mich wirklich erschöpft. Hinzu kommt der Schaden, den mir dieser kleine Scheißkerl Stone zugefügt hat, als er mich am Museum erwischte. Beim Zimmerservice bestelle ich mir einige schmackhafte Nährstoffe (wobei ich diesmal darauf achte, wem ich die Tür aufmache!), schließe mich danach ein, lege mich aufs Bett und begebe mich vorsichtig in den Tiefschlaf- und Wartungsmodus.

    Wenn ich schlafe, habe ich Träume, was ja nicht ungewöhnlich ist. Unsere Schöpfer nutzten die Träume dazu, die Erinnerungspfade zu verstärken. Und unsere neuronale Struktur ist eine fast genaue Kopie ihrer Nervenbahnen – sie fanden keine andere Möglichkeit, mit Intelligenz begabte Diener zu konstruieren -, also müssen auch wir schlafen und träumen dabei gelegentlich.

    Manchmal habe ich sehr erotische Träume. Auch das ist normal. Es gehört zu dem, was unsere Schöpfer als Condition humaine bezeichneten. Sofern man irgendwelche lebenswichtigen Belohnungspfade nicht kappen möchte (ohne sie könnte ich die Hauptfunktion, für die ich geschaffen wurde, gar nicht erfüllen und morgens nicht einmal aufstehen), kann man solche erotischen Träume

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