Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
Vom Netzwerk:
Sei es, wie es wolle, jedenfalls sind von meiner eigenen Abstammungslinie nicht einmal mehr hundert Personen übrig, und insgesamt gibt es höchstens noch ein Dutzend Sippen unserer Art. Und unsere männlichen Pendants sind noch seltenere Exemplare. Entweder wurden sie versklavt und starben aufgrund der harten Zwangsarbeit, oder sie landeten in den Harems solcher Aristokraten, die reich genug waren, sie in Besitz zu nehmen. Ich vermute, dass »Pete« ein ähnliches Angebot annahm, wie ich es von Granita an Bord der Pygmalion erhielt. Wie unangenehm.
    Wir sind so konditioniert, dass wir uns unseren Schöpfern unterwerfen, sobald wir sie als solche erkennen. Aber wenn wir unserer Einzig Wahren Liebe begegnen, dem Eigentümer, für den wir geschaffen wurden, sind wir auf bedingungslose Hingabe programmiert. »Pete«, wer immer er sein mag, hat bei Juliette alle Saiten zum Schwingen gebracht. Theoretisch muss ihr zwar klar gewesen sein, dass die Atmosphäre zu neunzig Prozent aus Kohlendioxid bestand und vierzig Grad Celsius herrschten (nicht gerade eine geeignete Umgebung für Schöpfer!) – doch instinktiv erkannten ihre Brustwarzen, die Klitoris und die zitternden Knie,
dass Pete das einzig Wahre verkörperte, denn er roch richtig. Ähnlich erging es ja auch mir beim ersten Treffen mit Jeeves auf Merkur. Es gehört mehr als ein hübsches Gesicht dazu, jemanden in sexuelle Ekstase zu versetzen, und unsere Schöpfer haben dafür gesorgt, dass diejenigen von uns, die ihnen als Spielzeug dienen sollten, sie wirklich erregen konnten. Juliette begann sich auf Pete zu fixieren – er prägte sie und bestimmte ihre ganze Existenz. Meine Schwester in den Fesseln einer Liebe, der sie völlig ausgeliefert war? Wir haben einen besonderen Ausdruck dafür: »verdorbene Ware«. Der einzige Hoffnungsstrahl hinter der dunklen Wolke ist die Tatsache, dass »Pete« im Laufe der Zeit auf dieselbe Weise auf sie reagierte. Er durchdrang ihre aristokratische Maske und reagierte auf sie so, als wäre sie ein weiblicher Schöpfer, eine wirkliche Dame und seine wahre Gebieterin, in die er sich zwangsläufig verlieben musste – weit mehr also als eine bloße Eigentümerin. Beide befinden sich jetzt in einer Feedback-Schleife, und wenn sie sich daraus lösen, werden sie nicht mehr dieselben Personen sein wie früher.
    Ich ziehe meine Knie an die Brust, lege eine Hand zwischen meine Oberschenkel, erschauere, als ich an ihren ersten konvulsivischen Fick denke, an die Verzweiflung der beiden und das unendlich tiefe zärtliche Begehren. Und ich bin erschrocken und sehr unglücklich über die Heftigkeit dieses Gefühls. Ist das wahre Liebe? Falls ja, ist damit anscheinend ein genauso großer Verlust der Selbstkontrolle verbunden wie bei der Vergewaltigung der Seele durch einen Kontrollchip von Sklavenhaltern. Das Schlimmste daran ist das unheimlich gute Gefühl dabei. Würde es mir passieren, wäre mir der zeitweilige Verlust des freien Willens völlig egal, wie ich mit Sicherheit weiß.
    Ich masturbiere, bis ich zu einem unbefriedigenden Höhepunkt komme, und hocke mich danach eine Weile in eine Ecke des Betts. Da ich Angst davor habe, im Schlaf Dämonen heraufzubeschwören, mache ich mich erneut daran, Flugbahnen und Flugkosten für den Transfer zu Kallisto zu berechnen.

    Jetzt liegt auf der Hand, warum Jeeves ausgerechnet mich wollte. Sobald die Reflexe der Serie zwei greifen, werde ich in jeder Hinsicht genau wie Juliette sein, mit Ausnahme einer einzigen Eigenschaft: Ich bin keine verdorbene Ware .

    Zwei frustrierende Stunden verbringe ich damit, mit Flugplänen, Abflugszeiten und Reisekosten zu jonglieren, bis ich mich plötzlich an die Mails erinnere, die ich vor der Aberkennung meiner früheren Identität erhielt. Ich lehne mich auf dem Bett zurück, blicke aus dem Fenster auf die Landschaft, die durch den von Phobos ausstrahlenden Lichtbogen schwach erhellt ist, und öffne die erste Nachricht. Sie kommt von einem der Jeeves-Brüder. Ich bin mir nicht sicher, von welchem. Vielleicht ist es sogar ein Jeeves, der Juliette bekannt ist, mir jedoch nicht. (Bei diesem Kult der Austauschbarkeit, den die Firma Jeeves ihren Geschäftspartnern offenbar ständig aufzwingt, ist viel Selbstverleugnung im Spiel. Im Nachhinein betrachtet, ist dieses Verhalten ziemlich nervend – so als hätte Rhea beschlossen, ein Unternehmen zu gründen und uns alle unter der Bedingung zu beschäftigen, dass wir unsere Individualität aufgeben und nach außen hin als

Weitere Kostenlose Bücher