Die Kinder vom Teufelsmoor
nach oben. »Seht doch, tiefer ist es hier nicht!«
Vorsichtig tappte er ein paar Schritte nach der einen und ein paar nach der andern Seite, ohne weiter einzusinken. »Vielleicht hat er sich das Genick gebrochen und liegt der Länge nach unter Wasser«, mutmaßte Rolf. »Geh mal weiter in diese Richtung, ich glaube, da ist er reingefallen. Irgendwo muß er ja sein.« Berti gehorchte. Behutsam tastete er sich mit den Füßen voran. Aber seinen Bruder fand er nicht.
Da fingen Walter und Birgit laut an zu weinen. Ingelore preßte Willy an sich und sagte mit belegter Stimme: »Einer ersäuft bestimmt, hat er gesagt, und nun ist er selber der erste!« Rena war es, die ihn schließlich entdeckte.
Sie war ihrer Katze nachgejagt, die sie in der Aufregung für einen Moment vergessen hatte, und furchtlos über den tiefen Graben gesprungen. Dabei stieß sie auf ihren totgeglaubten Bruder. Er hockte hinter einem Stapel Torf und hatte einen diebischen Spaß an der Angst seiner Geschwister. »Hier ist Bodo!« rief Rena. »Ganz lebendig!«
»Halt doch die Schnauze!« zischte Bodo. »Du verdirbst ja den ganzen Spaß!«
Weil er aber nun aufgespürt war, erhob er sich und kam grinsend zu seinen Schwestern und Brüdern zurück.
»Hallo«, sagte er, »habt ihr was verloren? Was macht mein lieber Berti denn da unten? 'n bißchen die Füße waschen?« Ingelore starrte ihn verblüfft an. Als sie sicher war, daß sie sich nicht täuschte, sondern Bodo tatsächlich noch lebte, warf sie Willy jauchzend in die Höhe. Auch Walter und Birgit schrien vor Freude laut auf.
Nur Rolf jubelte nicht. Er faßte seinen Bruder scharf ins Auge und fragte: »Wo kommst du jetzt her?«
»Von den braunen Broten da drüben«, sagte Bodo lächelnd. »Sie schmecken wirklich ganz prima, sind nur ziemlich trocken.« »Wie bist du so schnell aus dem Graben gekommen?« forschte Rolf lauernd.
»Tja«, sagte Bodo, »kleiner Trick aus Opas Klamottenkiste. Erst mal bin ich wie Schmidts Katze in den Seitengraben gelaufen, damit ihr mich nicht findet. Und da konnte ich mir ja in aller Ruhe ein paar Stufen graben und hochklettern, ihr habt ja ganz woanders gesucht.«
Rolf kniff die Augen zusammen und trat drohend auf ihn zu. »Du bist ein ganz gemeines Schwein«, sagte er, »und verdienst, daß wir dich mit dem Kopf zuerst in den Graben schmeißen. Aber warte, wenn du wirklich mal am Ersaufen bist, dann kannst du dir die Lunge aus dem Hals schreien, wir helfen dir nicht!« Und zu Berti gewandt: »Komm rauf, Berti, er ist leider gar nicht ersoffen!« »Mensch, stell dich nur nicht so an!« sagte Bodo. »Man wird doch noch einen kleinen Spaß machen dürfen!«
Rolf gab ihm keine Antwort mehr. Er legte sich auf den Bauch und streckte Berti seine Hand entgegen, um ihm heraufzuhelfen. Als Berti oben war, wich Bodo sicherheitshalber einen Schritt zurück, weil er fürchtete, eine Ohrfeige von ihm zu bekommen. Aber Berti war nicht nach Ohrfeigen zumute. Er hatte die Angst um seinen älteren Bruder noch nicht überwunden. Erschöpft von der anstrengenden Kletterei, setzte er sich ins Gras und ruhte sich aus.
»Bleibt alle hier!« bestimmte Rolf. »Ich springe rüber und hole ein Stück Torf her. Und dann gehen wir nach Hause, es ist verdammt spät geworden. Vielleicht meint Oskar es doch ehrlich mit uns, dann ist er jetzt bestimmt schon mit der Studentin da und wartet auf uns.« Aber Oskar war noch nicht da.
Der Nachmittag verstrich, und er kam und kam nicht. Er konnte auch nicht kommen, denn er lag in Osterholz-Scharmbeck mit einem Schädelbruch, mehreren Beinbrüchen und einem Lungenriß im Krankenhaus und wußte nichts mehr von sich und der Welt. Er war auf der Fahrt nach Bremervörde in einer Kurve ins Schleudern gekommen und gegen einen Baum geprallt. Rita, seine Freundin und Haushälterin, lag in der Frauenstation. Ihre Verletzungen waren genauso schwer. Auch sie hatte die Erinnerung an alles, was vor dem Unfall gewesen war, verloren.
Als es zu dämmern begann, waren die Kinder überzeugt, daß ihr Onkel nicht mehr kommen würde.
»Unser lieber Onkel hat uns hier tatsächlich ausgesetzt«, sagte Rolf grimmig, »wie einen Wurf Katzen!«
»Vielleicht hat er sich nur ein bißchen verspätet«, sagte Ingelore. »Er wollte doch noch mit seiner Haushälterin nach Bremervörde fahren. Da sind sie bestimmt aufgehalten worden.« »Nee, nee, das glaub' ich nicht«, sagte Bodo, »weil er doch die Studentin abholen wollte. Meinste, daß er die bis Mitternacht warten
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