Die Kinder von Alpha Centauri
etwas klarzumachen, bis der Maler
hinzufügte: »Kennt nicht jeder praktisch jeden?«
Colman und Hanlon sahen einander stirnrunzelnd an. Offenkundig kamen
sie nicht weiter, wenn sie nicht direkter fragten. Hanlon wischte sich die
Handflächen an den Hüften ab.
»Wir, äh ... wir wollen nicht unsere Nase in fremde Dinge stecken, aber
nur aus Neugier: Warum streichen Sie es?«
»Weil es nötig ist.«
»Und warum machen Sie sich die Mühe«, fragte Jay. »Was geht Sie das an,
ob ein Haus gestrichen werden muß oder nicht?«
»Ich bin Maler«, sagte der Mann über die Schulter. »Ich möchte, daß so
etwas richtig gemacht wird. Warum sollte es sonst jemand tun?« Er trat zurück,
prüfte seine Arbeit mit kritischem Blick, nickte und steckte den Pinsel in eine
Klappe seiner wandelnden Werkstatt, wo eine Klaue ihn in einem Lösungsmittel
drehte. »Die Leute, die hier leben, reparieren Installationen, betreiben in
der Stadt eine Bar, und einer unterrichtet Tuba. Meine Wasserleitung im Haus
muß manchmal repariert werden, ich trinke ab und zu in der Stadt gern ein Glas,
und eines Tages will von meinen Kindern eines vielleicht das Tubaspiel lernen.
Sie richten Wasserhähne, ich streiche Häuser. Was ist daran so merkwürdig?«
Colman zog die Brauen zusammen, rieb sich die Stirn und hob schließlich
seufzend die Hände.
»Nein ... wir drücken uns wohl nicht richtig aus. Sagen wir es so - wie
können Sie messen, wer wem wieviel
schuldet?«
Der Maler kratzte sich an der Nase und starrte über die Hand hinweg auf
den Boden. Der Gedanke war ihm offensichdich neu.
»Woher wissen Sie, wann Sie genug gearbeitet haben?« fragte Jay, um es
zu vereinfachen.
Der Maler zog die Schultern hoch.
»Das weiß man einfach. Woher wissen Sie, wann Sie genug gegessen
haben?«
»Aber wenn nun verschiedene Leute verschiedene Ansichten darüber haben«,
drängte Colman.
Der Maler zuckte wieder mit den Schultern.
»Das macht nichts. Verschiedene Leute bewerten die Dinge verschieden.
Einem anderen kann man nicht vorschreiben, wann er genug gegessen hat.«
Hanlon befeuchtete sich die Lippen, während er seine hundert Einwände in
ein paar Worte zu pressen versuchte.
»Na ja, sicher, aber wie kommt denn bei einer solchen Methode etwas
zustande? Was kann jemanden daran hindern, überhaupt nichts zu tun, außer den
ganzen Tag in der Sonne zu liegen?«
Der Maler blickte zweifelnd vor sich hin, bevor er die Fensterbrüstung
in Augenschein nahm, die nun an die Reihe kam.
»Das ergibt nicht viel Sinn«, murmelte er schließlich. »Warum
bleibt jemand arm, wenn es nicht sein muß? Das wäre doch eine sehr
seltsame Art.«
»Er käme doch gewiß nicht damit durch«, sagte Jay ungläubig. »Ich meine,
Sie würden ihn doch nicht überall hinein- und hinausmarschieren lassen, damit
er sich alles nehmen kann, was ihm paßt, oder?«
»Warum nicht?« fragte der Maler. »So einer könnte einem ja leid tun. Das
mindeste, was man tun kann, wäre, dafür zu sorgen, daß solche Leute zu essen
kriegen und richtig versorgt werden. Ein paar von der Sorte haben wir, und so
geht das mit ihnen. Es ist eine Schande, aber was kann man machen?«
»Sie verstehen nicht«, sagte Jay. »Auf der Erde würden viele Leute das
als ihr großes Lebensziel betrachten.«
Der Maler sah ihn an und nickte langsam.
»Mmm ... so etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht«, erklärte er.
Fünf Minuten später bogen die drei Terraner um eine Ecke und folgten
einem Fußweg neben einem Bach, der sie zu Adams Haus führen sollte. Sie waren
tief in Gedanken versunken und hatten seit dem Abschied von dem Maler kaum
untereinander gesprochen. Nach einer kurzen Strecke wurde Jay langsamer und
blieb stehen. Er starrte hinauf zu einer Gruppe hoher chironischer Bäume am
anderen Ufer neben vertrauten Ulmen und Ahornbäumen, die offenkundig
importiert waren - von den Robotern der Kuan-yin genetisch verändert, damit sie im fremden Boden wuchsen. Die beiden
Sergeanten warteten und folgten nach einigen Sekunden verwundert Jays Blick.
Die Stämme der chironischen Bäume waren bedeckt von großen,
überlappenden Planen, die mehr Ähnlichkeit mit Reptilienschuppen als mit Rinde
hatten, und die Äste, hoch oben dicht beieinander auf eine Art, die an die
kalifornischen Sequoien erinnerte, wölbten sich hinaus und hinauf, um
Kuppeldächer aus Laub zu tragen, die wie die Kappen von Riesenpilzen wirkten.
Das Laub war an der Unterseite der Kuppeln grün, wurde nach oben hin aber immer
gelber.
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