Die Kinder Von Eden : Roman
wie ging‘s weiter?«
»Ich habe ihm ein Abendessen gekocht und mit ihm geplaudert.«
Priest konnte sich vorstellen, wie es abgelaufen war. Wenn Melanie verführerisch sein wollte, konnte kein Mann ihr widerstehen. Und immer dann, wenn sie irgend etwas wollte, spielte sie ihre Reize aus. Wahrscheinlich hatte sie ein Bad genommen und einen Morgenmantel übergezogen und war dann in der Wohnung herumgeschlendert, den Geruch nach Seife und Blumen verströmend, hatte Wein eingeschenkt oder Kaffee gekocht und dafür gesorgt, daß der Morgenmantel hin und wieder aufklaffte und Michael verlockende Blicke auf ihre langen Beine und ihre weichen Brüste gewährte. Und sie hatte ihm Fragen gestellt und aufmerksam seinen Antworten gelauscht und ihn auf eine Weise angelächelt, die besagte:
Ich will nichts lieber als mit dir bumsen.
»Als das Telefon klingelte, habe ich ihn gebeten, nicht ranzugehen, und hab‘ dann den Hörer neben den Apparat gelegt. Aber dieses verdammte Weibsstück ist trotzdem gekommen, und als Michael nicht auf ihr Klopfen reagierte, hat sie die Tür eingetreten. O Mann, war die geschockt.«
Priest konnte nachempfinden, daß Melanie sich das alles von der Seele reden mußte; deshalb drängte er sie nicht, von den wirklich wichtigen Dingen zu erzählen.
»Die wäre am liebsten im Boden versunken, so peinlich war ihr die Sache.«
»Hat Michael ihr die Liste gegeben?«
»Er hatte ganz andere Sorgen. Und die Frau war viel zu sehr von der Rolle, um danach zu fragen. Aber heute morgen hat sie angerufen, und Michael hat ihr die Liste gefaxt.«
»Hast du sie dir auch besorgt?«
»Als Michael unter der Dusche stand, war ich an seinem Computer und hab‘ sie mir ausgedruckt.«
Und wo, zum Teufel, bleibt sie?
Melanie griff in die Gesäßtasche ihrer Jeans, zog ein zweimal gefaltetes Blatt Papier hervor und reichte es Priest.
Gott sei Dank.
Priest faltete das Blatt auseinander und betrachtete es im Licht der Lampe. Die gedruckten Buchstaben und Zahlen sagten ihm nichts.
»Das sind die Orte, die Michael der Frau genannt hat? Die sie beobachten soll?«
»Ja. Sie wollen jede dieser Stellen überwachen und nach einem seismischen Vibrator Ausschau halten, genau wie du es vorhergesagt hast.«
Judy Maddox war gerissen. Die Observierungen durch das FBI machten es für Priest sehr schwierig, den Vibrator einzusetzen, besonders wenn er es an mehreren Stellen versuchen mußte, wie im Owens Valley. Aber er war noch gerissener als Judy. Er hatte diesen Schachzug vorhergesehen. Und er hatte sich bereits überlegt, wie er ihm begegnen konnte.
»Weißt du auch, wie Michael diese Stellen rausgesucht hat?« fragte er.
»Ja, sicher. Es sind die Stellen, an denen die Spannung in der Verwerfung am stärksten ist.«
»Du könntest also das gleiche tun.« :
»Das hab‘ ich doch schon. Und ich habe dieselben Stellen herausgefunden wie Michael.«
Priest faltete das Blatt zusammen und reichte es Melanie zurück. »Okay, jetzt hör mir genau zu. Es ist wichtig. Könntest du die Daten noch mal durchgehen und die fünf nächstbesten Stellen ermitteln?« »Ja.«
»Und könnten wir an einer dieser Stellen ein Erdbeben auslösen?«
»Ich nehme es an«, erwiderte Melanie. »Es ist vielleicht nicht ganz so sicher, aber die Chancen stehen nicht schlecht.«
»Dann werden wir‘s so machen. Morgen werden wir ‚nen Blick auf die neuen Stellen werfen. Gleich nachdem ich mit Mr. Honeymoon gesprochen habe.«
Kapitel 16
Um fünf Uhr morgens gähnte der Posten am Eingang zum Gelände der Los Alamos.
Er wurde hellwach, als Melanie und Priest im Barracuda herangefahren kamen. Priest stieg aus dem Wagen.
»Wie geht‘s, Kumpel?« fragte er, während er zum Tor ging.
Der Posten hob sein Gewehr, setzte eine boshafte Miene auf und fragte: »Wer biste, und wat willste hier?«
Priest schmetterte ihm die Faust ins Gesicht und zertrümmerte ihm das Nasenbein. Blut spritzte. Der Posten schrie auf; seine Hände zuckten zum Gesicht.
»Autsch!« sagte Priest. Die Faust tat ihm weh. Es war lange her, seit er jemandem die Fresse poliert hatte. Die nächsten Bewegungen Priests erfolgten rein instinktiv. Er trat dem Posten die Beine weg. Der Mann fiel auf den Rücken, und sein Gewehr segelte durch die Luft. Priest trat ihm drei-, viermal in die Rippen, schnell und wuchtig, und versuchte dem Mann die Knochen zu brechen. Dann trat er seinem Opfer gegen den Kopf und ins Gesicht. Der Mann zog die Knie an den Leib, rollte sich zusammen, hilflos vor
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